Merkel gegen Niedriglohn für Frauen - Ungleiche Folgen der Pandemie Von Basil Wegener, dpa

07.03.2021 10:30

Geringere Löhne, drastischere Folgen der Pandemie: Bundeskanzlerin
Merkel sieht die Frauen im Land im Nachteil. Bei Hunderttausenden
fiel in den vergangenen Monaten der ohnehin geringe Lohn von Minijobs
weg.

Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) tritt für
umfassende Parität und gleichen Lohn für Frauen und Männer ein.
«Frauen müssen endlich so viel verdienen können wie Männer», sagt
e
Merkel in einem Podcast zum Frauentag am Montag. Zuletzt kamen Frauen
laut Bundesagentur für Arbeit (BA) im Mittel auf über 440 Euro im
Monat weniger als Männer. Auf dem Jobmarkt traf die Corona-Pandemie
Frauen teils noch härter als Männer.

«Wir müssen darauf achten, dass die Pandemie nicht dazu führt, dass
wir in manch schon überwunden geglaubtes Rollenmuster zurückfallen»,

sagte Merkel in dem Podcast vom Samstag. Viele seien im Spagat
zwischen Homeschooling, Kinderbetreuung und Beruf.

75 Prozent der Beschäftigten in Praxen, Kliniken, Laboren und
Apotheken sind nach ihren Angaben Frauen - in den Führungspositionen
der Branche knapp 30 Prozent. An der Spitze der Rathäuser geht der
Frauenanteil sogar zurück, von zehn auf neun Prozent, wie der
Deutsche Städte- und Gemeindebund der Deutschen Presse-Agentur
mitteilte. «Dass wir beim Anteil der Frauen in den kommunalen
Führungspositionen nicht einmal das niedrige Niveau halten können,
dürfen wir nicht länger hinnehmen», erklärten Janina Salden, die be
im
Verband für Frauen in der Kommunalpolitik zuständig ist, und
Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.

Merkel sagte: «Es kann nicht sein, dass Frauen unsere Gesellschaften
maßgeblich tragen und gleichzeitig nicht gleichberechtigt an
wichtigen Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft
beteiligt sind.» Sie setzte hinzu: «Deshalb brauchen wir Parität in
allen Bereichen der Gesellschaft.»

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz rief zum Einsatz gegen die Lohnlücke
zwischen Frauen und Männern auf. «Es ist ein Skandal», sagte er am
Samstag in einer Videoansprache. Frauen und Männer, die gleiche
Tätigkeiten ausführten, würden oft unterschiedlich bezahlt - «obwoh
l
das längst nicht legal ist». Bei Pflege und Einzelhandel müssten die

Löhne generell steigen - dort arbeiteten viele Frauen.

Das mittlere Entgelt bei Frauen in Vollzeit lag zuletzt bei 3117 Euro
brutto im Monat - bei Männern waren es 3560 Euro. Das zeigt eine der
dpa vorliegende BA-Zusammenstellung zum Stand von Ende 2019 für die
Linke im Bundestag. Der Niedriglohnanteil betrug bei Männern 15,5,
bei Frauen 25,8 Prozent.

CORONA UND ARBEITSLOSIGKEIT:

Die Corona-Pandemie ließ die Zahl der arbeitslos werdenden Frauen
etwas mehr wachsen als die der Männer. Das zeigt eine BA-Statistik
zum Zugang in Arbeitslosigkeit aus dem ersten Arbeitsmarkt. 1,01
Millionen Frauen rutschten von Februar 2020 bis Januar 2021 in
Arbeitslosigkeit - 54 000 mehr als im Vorjahreszeitraum. Bei den
Männern stieg die Zahl um 27 000 auf 1,5 Millionen. Etwa im Bereich
Kunst, Unterhaltung und Dienstleistungen betrafen von 99 684 Zugängen
zur Arbeitslosigkeit 59 884 Frauen. Laut EU-Kommission arbeiten in
der Pandemie eher Frauen weniger, um Kinder zu betreuen.

MINIJOBS:

Mitte 2020 übten 4,1 Millionen Frauen und 2,9 Millionen Männer einen
Minijob aus. BA-Chef Detlef Scheele zählte zuletzt neben Älteren,
Kranken, Migranten und wenig Qualifizierten vor allem Minijobberinnen
und Minijobber zu den Pandemie-Opfern auf dem Arbeitsmarkt: Durch
Corona sank deren Zahl um 530 000 - vor allem in Handel und
Gastgewerbe.

Die Linken-Abgeordneten Sabine Zimmermann sagte der dpa: «Minijobs
sind mangels Alternativen in vielen Fällen erzwungene
Teilzeitarbeit.» Geringe Rentenansprüche seien die Folge.
DGB-Vizechefin Elke Hannack sagte der dpa, Minijobs müssten zu
Beschäftigung mit Versicherungsschutz gemacht werden.

REGIERUNGSKURS IN DER KRITIK:

Hannack stellte der Regierung ein schlechtes Zeugnis aus: «Das
Gesetz, das Lohngerechtigkeit herstellen sollte, sorgt nicht mal für
Transparenz.» Die Vorstandsquote setze nur Minimalziele. Merkel
erläuterte: In den großen Unternehmen müsse es ab vier
Vorstandsmitgliedern mindestens eine Frau geben. Hannack sagte: «Alle
gleichstellungspolitischen Gesetze blieben bislang auf dem Niveau des
kleinsten gemeinsamen Nenners.»

PLÄNE FÜR MEHR CHANCENGLEICHHEIT:

Da ist der Ausbau der Kinderbetreuung im Vorschulalter - zentral etwa
aus Sicht von SPD, Linken, DGB und Arbeitgebern. Merkel sagte: «Nur
wer die eigenen Kinder gut und sicher versorgt weiß, kann sich voll
auf seine beruflichen Aufgaben konzentrieren.»

SPD-Fraktionsvize Katja Mast forderte bis 2030 Parität in der
Politik. «Wir brauchen mehr Frauen in allen Parlamenten - vom
Gemeinderat bis zum Bundestag», sagte sie der dpa. «Bis 2030 wollen
wir den Ausstieg schaffen aus der Testosteronpolitik.» Grünen-Chefin
Annalena Baerbock sprach sich beim Redaktionsnetzwerk Deutschland für
mindestens 33 Prozent als Frauenquote in Vorständen großer
Unternehmen aus.