Spannungen nach Draghis Einstufung von Erdogan als «Diktator»
09.04.2021 08:25
Rom (dpa) - Zwischen Italien und der Türkei ist es zu diplomatischen
Spannungen gekommen, nachdem der italienische Ministerpräsident Mario
Draghi den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan als einen
«Diktator» bezeichnet hat. Anlass der Äußerung war die Debatte um d
ie
Sitzordnung beim Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der
Leyen bei Erdogan am Dienstag. Die Türkei bestellte aus Protest den
italienischen Botschafter ein, wie das türkische Außenministerium am
späten Donnerstagabend mitteilte. Man erwarte, dass Draghi die
Äußerungen zurücknehme und habe dies deutlich gemacht, hieß es.
Außenminister Mevlüt Cavusoglu schrieb auf Twitter, er verurteile
Draghis «hässliche und maßlose Äußerungen» aufs Schärfste.
Italiens Premier hatte sich am Donnerstagabend vor der Presse in Rom
zu dem Besuch von Kommissionschefin von der Leyen und des
EU-Ratspräsidenten Charles Michel bei Erdogan geäußert. Von der Leyen
hatte dabei am Dienstag keinen Stuhl bekommen, sondern saß etwas
abseits auf einem Sofa. «Das war ein Verhalten, das mir sehr wegen
der Demütigung missfallen hat, die die Präsidentin der EU-Kommission
von der Leyen erleiden musste», sagte der frühere Chef der
Europäischen Zentralbank (EZB). Man müsse mit «diesen, nennen wir sie
(...) Diktatoren» eine klare Sprache sprechen und die
unterschiedlichen gesellschaftlichen Vorstellungen zum Ausdruck
bringen. Man müsse aber auch bereit sein, mit ihnen im Interesse des
Landes zu kooperieren. Es brauche das richtige Gleichgewicht, sagte
Draghi.
Die Wahl des Wortes Diktator sorgte sofort danach in italienischen
Medien für Schlagzeilen. Auch die Türkei reagierte umgehend.
In der Diskussion um die Sitzordnung beim EU-Türkei-Treffen in Ankara
hat sich die Türkei bereits am Donnerstag gegen Vorwürfe aus Brüssel
verteidigt. Es habe «ungerechte Anschuldigungen gegenüber der Türkei
gegeben», sagte Außenminister Cavusoglu. «Es wurde entsprechend der
Anregungen der EU-Seite so eine Sitzordnung aufgestellt.»