AfD will Deutschland aus EU führen - Anti-Migrationskurs verschärft

11.04.2021 14:24

Auf dem Bundesparteitag der AfD hat das sogenannte gemäßigte Lager um
Parteichef Jörg Meuthen einen schweren Stand. Ungeachtet der
Warnungen ihres langjährigen Vorsitzenden spricht sich die AfD in
ihrem Wahlprogramm nun erstmals klar für einen «Dexit» aus.

Dresden (dpa) - Mit der Forderung zum Austritt Deutschlands aus der
Europäischen Union und ohne Spitzenkandidaten hat die AfD ihren
Bundestagswahlkampf eingeläutet. Bei einem am ersten Tag von Protest
begleiteten Präsenzparteitag in Dresden sprachen sich die mehr als
550 anwesenden Delegierten per Mehrheitsbeschluss für einen Austritt
Deutschlands aus der EU aus. In dem Beschluss dazu hieß es: «Wir
halten einen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union und die
Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und
Interessengemeinschaft für notwendig.» Parteichef Jörg Meuthen, der
dem Europäischen Parlament angehört, hatte sich klar dagegen
ausgesprochen. Er sagte: «Politik ist die Kunst des Möglichen.»

«#Dexit» war am Sonntag unter den Top-Themen im Kurznachrichtendienst
Twitter. Das wäre das «Ende der EU und des Binnenmarkts, unseres
wichtigsten Exportmarktes», schrieb FDP-Vize Alexander Graf
Lambsdorff. Er warf der AfD «stumpfen Nationalismus» vor.

Beim Thema Migration setzten sich gleichfalls die Hardliner durch.
Die Einwanderung - auch von Fachkräften - soll stark eingeschränkt
werden. Als Vorbild soll Japan dienen. Trotz Warnung eines
Delegierten wurde auch ein Passus beschlossen, der einen
Fachkräftemangel im Grund leugnet. Der «sogenannte Fachkräftemangel
»
sei ein «konstruiertes Narrativ der Industrie- und
Wirtschaftsverbände sowie anderer Lobbyvereine», heißt es nun.

Die AfD verlangt zudem die «Ablehnung jeglichen Familiennachzuges für
Flüchtlinge». Kritiker dieser Formulierung wiesen darauf hin, dass
das rechtlich gar nicht möglich sei. Der Thüringer Landeschef Björn
Höcke konterte mit dem Hinweis, man befinde sich hier in keiner
rechtlichen, sondern einer politischen Sphäre. Es gehe einzig darum,
eine politische Botschaft für die Wähler zu setzen. Ein Delegierter
erinnerte seine Kollegen daran, dass die AfD eine Familienpartei sei
und ihr ein solcher Antrag den Vorwurf der Inhumanität einbringe.

An anderer Stelle im Wahlprogramm heißt es, eine humanitäre Aufnahme
dürfe es nur für vom Bundestag ausgewählte, besonders
schutzbedürftige Personen geben, «für deren Auswahl ein mit der
deutschen Werte- und Gesellschaftsordnung vereinbarter kultureller
und religiöser Hintergrund ein wichtiges Kriterium ist».

In ihr Programm für die Bundestagswahl am 26. September fügten die
Delegierten zudem den Passus ein: «Die Bundeswehr soll wieder einen
starken Korpsgeist, ihre Traditionen und deutsche Werte pflegen. Die
Tugenden des Soldaten sind Ehre, Treue, Kameradschaft und Tapferkeit.
Die Bundeswehr muss die besten Traditionen der deutschen
Militärgeschichte leben.»

Mit knapper Mehrheit abgelehnt wurde ein Antrag, in dem es hieß:
«Insbesondere soll der mittlerweile so gut wie nicht mehr vergebene
Waffenschein, der besonders gefährdeten Personen das Führen von
scharfen Waffen in der Öffentlichkeit erlaubt, bei nachgewiesener
Gefährdung leichter als bislang ausgestellt werden.» Dieser Antrag
wurde aber zur Prüfung an einen Parteiausschuss verwiesen, der sich
mit dem Programm der Partei zur Inneren Sicherheit beschäftigt.

Der Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider aus Sachsen-Anhalt
hatte für diesen Antrag geworben. Ihm seien mehrere AfD-Abgeordnete
bekannt, die vergeblich einen Waffenschein beantragt hätten. «Und
bitteschön, wer ist wesentlich mehr als die Allgemeinheit durch
Angriffe an Leib und Leben gefährdet als ein AfD-Landtagsabgeordneter
oder -Bundestagsabgeordneter?», fügte er hinzu. Der
Bundestagsabgeordnete Götz Frömming warnte, falls diese Forderung im
Programm für die Bundestagswahl landen sollte, wäre der einzige
Effekt, «dass man sagen wird, die AfD will sich selbst bewaffnen».

Vor Abschluss des Parteitages sollte noch über Satzungsänderungen
beraten werden. Der Landesvorstand von Sachsen-Anhalt wollte eine
Abstimmung zur Begrenzung von Amtszeiten zur Abstimmung stellen.
Demnach soll ein Mitglied des Bundesvorstandes höchstens zweimal
unmittelbar in dasselbe Parteiamt wiedergewählt werden können. Das
würde für Meuthen bedeuten, dass er im November nicht erneut für den

Vorsitz kandidieren dürfte.

Die Delegierten entschieden, noch keine Spitzenkandidaten für die
Bundestagswahl zu bestimmen. Eine Mehrheit gab es lediglich für den
Vorschlag, mit einem Spitzenduo in den Wahlkampf zu ziehen. Die Wahl
dieses Zweierteams wird aber noch nicht auf dem Parteitag erfolgen.
Stattdessen sollen zu einem späteren Zeitpunkt die Mitglieder der
Partei entscheiden. Fraktionschefin Alice Weidel, die bei der
Bundestagswahl 2017 gemeinsam mit Alexander Gauland das Spitzenteam
gebildet hatte, ließ offen, ob sie dann dafür antreten will.
Parteichef Tino Chrupalla und die hessische Abgeordnete Joana Cotar
erklärten dagegen beide, sie stünden dafür zur Verfügung.

Zudem beschlossen die Delegierten eine «Corona-Resolution». Darin
fordert die Partei «jedweden, auch indirekten, Zwang zur Durchführung
von Tests, Impfungen, unter anderem durch Einführung sogenannter
Schnelltest-Apps und des grünen Impfpasses, sowie Benachteiligungen
für Maskenbefreite zu unterlassen». Die AfD war im Vorfeld dafür
kritisiert worden, trotz steigender Infektionszahlen einen
Präsenzparteitag mit hunderten Teilnehmern zu veranstalten.
Parteichef Meuthen hatte das ausdrücklich verteidigt.

In ihrem vor zwei Jahren verabschiedeten Programm für die Europawahl
hatte die AfD ihre Haltung zu einem möglichen EU-Austritt noch
vorsichtiger formuliert. Damals hieß es: «Sollten sich unsere
grundlegenden Reformansätze im bestehenden System der EU nicht in
angemessener Zeit verwirklichen lassen, halten wir einen Austritt
Deutschlands oder eine geordnete Auflösung der Europäischen Union und
die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und
Interessengemeinschaft für notwendig.» Ein «Dexit» wäre aus damal
iger
Sicht der AfD allerdings erst nach einer Volksabstimmung über den
Austritt Deutschlands möglich.