Begleitung von Behinderten beim Reisen in Europa

Kostenfreie Begleitung in der EU: nicht in allen Ländern möglich

Meine Frau ist schwerbehindert und hat in Deutschland einen Schwerbehindertenausweis mit „Begleitervermerk“. Stimmt es, daß der deutsche Behindertenausweis bei Bahnfahrten in den Niederlanden nicht anerkannt wird und deshalb Begleitpersonen voll zahlen müssen? Stimmt es auch, daß wir keine niederländische Begleiterkarte bekommen können? Sollen die Behinderten von der Freizügigkeit in Europa ausgeschlossen werden?

Die Deutsche Bahn bemüht sich, mit einer Reihe von Ermäßigungen Schwerbehinderten in Deutschland das Reisen zu erleichtern. Zu diesem „Nachteilsausgleich für Behinderte“ gehört auch die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson: Wer einen Behinderten auf einer Bahnfahrt betreut, der den Vermerk „Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen“ im Behindertenausweis hat, darf in Deutschland umsonst mitreisen. Entsprechende Vergünstigungen gewähren auch ausländische Bahnen.

Das Problem: Die europäischen Bahngesellschaften erkennen in aller Regel nur den Behindertenausweis ihres eigenen Staates an. Der deutsche Behindertenausweis Ihrer Frau gilt im niederländischen Zug nicht. Konkret heißt das: Vom Abfahrtsbahnhof in Deutschland bis zur Grenze fahren Sie unentgeltlich. Für die Strecke bis zum Ziel in den Niederlanden brauchen Sie ein Ticket - und zwar zum vollen Preis. Eine Ausnahme von dieser Regel gibt es für die Begleiter von Blinden: Sie dürfen auch im EU-Ausland umsonst mitfahren.

Um in den Niederlanden als Begleitperson umsonst mitfahren zu können, bräuchten Sie einen niederländischen Begleiterausweis - doch den können Sie leider nicht bekommen. Die niederländische Bahn gibt Begleiterkarten nur an Behinderte aus, die in den Niederlanden wohnen. So unverständlich diese Maßnahme klingt: Wenn die niederländische Bahn jetzt rigoroser mit der Erteilung von Begleiterkarten ist, paßt sie damit ihre Bestimmungen lediglich an die Gewohnheiten der meisten anderen Bahngesellschaften an. Auch einen deutschen Behindertenausweis erhält nur, wer in Deutschland lebt.

Daß für Behinderte Europa beim Bahnreisen tatsächlich an der Grenze aufhört, wird so begründet: Die Definition des Begriffs „Schwerbehinderter“ und die Form des Behinderungsnachweises ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Was welcher ausländische Behindertenausweis aussagt, kann der einzelne Bahnbeamte am Fahrkartenschalter deshalb im konkreten Fall nicht unbedingt wissen. Um Zweifelsfälle von vornherein zu vermeiden, erkennen die Bahngesellschaften deshalb nur die jeweils eigenen Ausweise an. Die Bahngesellschaften machen es sich damit leicht - auf Kosten der Behinderten.

Vom freien Reisen in Europa kann dabei natürlich für Behinderte keine Rede sein. Gegen europäisches Recht verstoßen die europäischen Bahngesellschaften damit jedoch nicht: gemeinsame Regeln zur gegenseitigen Anerkennung von Behindertenausweisen oder für die Einräumung von einem Nachteilsausgleich für Bürger aus anderen EU-Staaten gibt es bisher nicht.

Abhilfe könnte nur eine Vereinheitlichung der Vergünstigungen für Behinderte beim Bahnfahren in Europa schaffen. Tatsächlich hat der niederländische Behindertenrat - sogar auf Bitte der niederländischen Bahn! - diese Problematik bei der Europäischen Kommission zur Sprache gebracht. Doch selbst wenn es auf diese Weise gelingen sollte, die Diskussion um das Thema anzustoßen, auf eine schnelle Lösung Ihres Problems können Sie nicht hoffen.

Begleitpersonen von Blinden
Nach dem "TCV-Tarif" werden die Begleitpersonen von Blinden auf den nachfolgend aufgelisteten Strecken und Bahnen unentgeltlich Befördert. Anstelle einer Begleitperson wird auch ein Blindenführhund unentgeltlich befördert. Die Begleitperson bzw. der Blindenhund erhält eine Fahrkarte ohne Fahrpreisberechnung. Zuschläge die eventuell anfallen, müssen jedoch gezahlt werden.

  • Luxemburgische Eisenbahnen
  • Griechische Eisenbahnen
  • Dänische Staatsbahnen
  • Ungarische Staatsbahnen
  • Niederländische Eisenbahnen
  • Österreichische Bundesbahnen
  • Schweizerische Bundesbahnen einschließlich der im TCV-Heft II/III Schweiz aufgeführten
  • schweizerischen Transportunternehmen
  • Belgische Eisenbahnen
  • Slowenische Staatsbahnen
  • Slowakische Staatsbahnen

Begleitpersonen von Rollstuhlfahrern im Ausland
Mit dem Schwerbehindertenausweis oder einer offiziellen Bescheinigung können Rollstuhlfahrer nach TCV-Tarif eine Begleitperson unentgeltlich im europäischen Ausland auf nachfolgend aufgelisteten Strecken mitnehmen. Die Begleitperson erhält eine Fahrkarte ohne Fahrpreisberechnung.

  • Belgische Eisenbahnen einschließlich Seestrecke Oostende - Dover (Hoverspeed)
  • Britische Eisenbahnen und Nordirische Eisenbahnen sowie Sealink-Seestrecken Kontinent - Großbritannien
  • Bulgarische Eisenbahnen
  • Dänische Staatsbahnen
  • Französische Eisenbahnen einschließlich Seestrecke Calais - Dover (Sealink Stena Lines)
  • Griechische Eisenbahnen
  • Irische Eisenbahnen
  • Italienische Staatsbahnen einschließlich Seestrecke Brindisi - Patras der EA-HML
  • Jugoslawische Eisenbahnen
  • Kroatische Eisenbahnen
  • Luxemburgische Eisenbahnen
  • Niederländische Eisenbahnen einschließlich Seestrecke Hoek van Holland - Harwich (St. L)
  • Österreichische Bundesbahnen einschließlich Montafonerbahn (MBS) und ROeEE
  • Polnische Staatsbahnen
  • Portugiesische Eisenbahnen
  • Rumänische Eisenbahnen
  • Schweizerische Bundesbahnen einschließlich der im TCV-Heft II/III Schweiz aufgeführten schweizerischen Transportunternehmen
  • Slowakische Staatsbahnen
  • Slowenische Staatsbahnen
  • Spanische Eisenbahnen
  • Tschechische Staatsbahnen
  • Ungarische Staatsbahnen

Weitere Informationen:

http://www.oepnv-info.de/

http://www.seh-netz.info/