Asyl und Einwanderung

Offene Grenzen zwingen zu gemeinsamen Lösungen

Innerhalb der EU gelten gemeinsame Regeln für den zuständigen Staat im Asylverfahren. Auf seine Entscheidungen können sich alle anderen EU-Staaten berufen. Durch Mindeststandards für das Asylverfahren und einer verbesserten Identifizierung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern wird das Asylverfahren sehr effektiv gestaltet.

Derzeit wird die zweite Phase der gemeinsamen Asylpolitik vorbereitet, die zu einer weitergehenden Harmonisierung führen soll. Sie umfasst die Einführung eines gemeinsamen Asylverfahrens und die Schaffung eines unionsweit geltenden einheitlichen Status für diejenigen, denen Asyl gewährt wird.

Auch bei der Einwanderung - zum Beispiel zur Familienzusammenführung, zum Studium oder einem Forschungsaufenthalt - wurden gemeinsame Regeln gefunden. Ziel ist eine gemeinsame Einwanderungspolitik. Zielgruppe für Integrationsmaßnahmen sollen die Menschen sein, die sich bereits rechtmäßig bei uns aufhalten und bleiben wollen.

Viele Menschen aus anderen Teilen der Welt, zuletzt vor allem aus Afrika, wollen in der Europäischen Union arbeiten, um ihre Familien zuhause zu ernähren. Oft wählen sie hierfür gefährliche Wege zum Beispiel durch die Sahara in die spanischen Besitzungen in Nordafrika, oder auf dem gefährlichen Seeweg zu den Kanarischen Inseln oder übers Mittelmeer nach Italien, Griechenland und Malta. Gemeinsam müssen die EU-Staaten Wege finden, diesen Druck auf ihre Außengrenzen zu vermindern. Dazu gehört eine aktive Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik in den Herkunftsländern der illegalen Einwanderer, die die Fluchtursachen mindern hilft. Die Bundesregierung setzt sich für ein europäisches Gesamtkonzept gegen die illegale Einwanderung ein.

Deutschland in der EU nicht mehr Asylland Nummer Eins
Erstmals seit fast 20 Jahren führt Deutschland nicht mehr die Liste der Staaten mit den meisten Asylbewerbern in der Europäischen Union an. Das geht aus der Asylstatistik des UN- Flüchtlingshilfswerks UNHCR hervor. Danach ist nun Großbritannien in der EU das meistgesuchte Land für Asylsuchende.

Regelungen zur Einreise
Es wäre wenig sinnvoll, wenn die offenen Grenzen dazu führten, dass Einreisewillige in jedem EU-Staat ein neues Asylverfahren einleiten und die Abschiebung dadurch verhindern könnten. Daher sieht ein in Dublin im Juni 1990 geschlossenes Übereinkommen vor, dass innerhalb der EU Asylverfahren nur noch von einem Mitgliedstaat durchgeführt werden.

Das Abkommen regelt, welches Land jeweils zuständig ist. Grundsätzlich wird danach ein Asylantrag von dem EU-Land behandelt, das der Asylbewerber zuerst betreten hat - es sei denn, ein anderes Land hätte bereits eine Aufenthaltserlaubnis, ein Einreisevisum oder ein Transitvisum erteilt. Wer in einem Land, das die Genfer Flüchtlingskonvention beachtet, sicher vor Verfolgung war, kann keine Weiterreisemöglichkeit in ein anderes Aufnahmeland verlangen. Das Dubliner Abkommen ist inzwischen von allen Unterzeichnerstaaten ratifiziert worden und am 1. September 1997 in Kraft getreten. Die EU-Mitgliedstaaten haben im Asylrecht bereits weitere gemeinsame Regelungen getroffen.

Die EU-Verordnung «Dublin II» vom 18. Februar 2003 legt weiterhin fest, dass der zuständige EU-Staat den Antragsteller während des gesamten Asylverfahrens betreut. Reist der Betroffene in ein anderes EU-Land weiter, kann er in den zuständigen Staat zurückgeschickt werden.

In der Praxis läuft die Regelung darauf hinaus, dass Asylsuchende in dem EU-Land bleiben müssen, in das sie zuerst eingereist sind. Voraussetzung dafür ist, dass sie bei ihrer Ankunft ordnungsgemäß registriert wurden: Ihre Fingerabdrücke werden in der elektronischen Datenbank Eurodac gespeichert, die im Januar 2003 in Betrieb ging. Anhand dieser Datenbank können nationale Behörden prüfen, ob ein Asylbewerber schon in einem anderen Mitgliedstaat um Asyl gebeten hat. Damit will die EU das so genannte Asyl-Shopping bremsen.

EU-Staaten beschließen Asylrecht mit Drittstaaten-Regel
Unmittelbar vor dem Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten einigten sich die Innenminister der 15 "alten" EU-Staaten auf eine Richtlinie, die eine Zurückweisung von Asylbewerbern an der Grenze erlaubt, wenn diese aus vorab festgelegten sicheren Drittstaaten kommen. Auch eine Abschiebung vor der Entscheidung über so genannte Folgeanträge der Asylbewerber ist danach möglich.

Nach der neuen Richtlinie über Mindestnormen für Asylverfahren können Bewerber schon bei der Einreise ohne nähere Prüfung ihres Falls zurückgeschickt werden, wenn sie aus einem sicheren Drittstaat kommen. Als sicher gilt ein solches Transitland, wenn es die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert hat und einhält. Es muss auch ein gesetzlich geregeltes Asylverfahren haben und die europäische Menschenrechtskonvention respektieren. In anderen Fällen dürfe das Drittstaatskonzept nur angewandt werden, wenn die Behörden sich von der sicheren Lage für den Flüchtling überzeugt haben.

Auch die gesonderte Bewertung einzelner Landesteile und bestimmter Bevölkerungsgruppen ist in das Regelwerk eingegangen. Dies hatte vor allem die britische Regierung verlangt. Listen sicherer Drittstaaten oder Herkunftsländer sind in der Richtlinie nicht enthalten. Der Ministerrat nahm auch die Richtlinie zum Schutz von Flüchtlingen vor nichtstaatlicher Verfolgung an, auf die sich die Mitgliedstaaten vor vier Wochen politisch geeinigt hatten.

Am Anfang stand das Schengener Abkommen
Innerhalb der Europäischen Union hatte sich ein Kreis von Staaten zusammengefunden, der zum schnellen Abbau der Kontrollen an den Binnengrenzen zwischen den Mitgliedstaaten entschlossen war. Seit dem 26. März 1995 ist das Durchführungsabkommen zum Vertrag von Schengen in Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Spanien und Portugal in Kraft. Österreich und Italien wenden die Bestimmungen des Abkommens seit dem 1. April 1998 voll an. Griechenland kam am 1. Januar 2000 dazu.

Durch das Schengen-Protokoll zum Amsterdamer Vertrag vom 02.10.1997 wurde die Schengen-Zusammenarbeit mit Wirkung vom 01.05.1999 in die EU einbezogen. Der Schengen-Acquis (Schengener Abkommen und die auf dieser Grundlage erlassenen Regelungen) und seine Weiterentwicklung wurde in weiten Bereichen in die Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft überführt. Für Großbritannien, Irland und Dänemark sind Sonderregelungen vorgesehen: Großbritannien und Irland sind keine Parteien des Schengener Abkommens; sie können den Schengen-Acquis mit Billigung des EU-Rates ganz oder teilweise übernehmen und sich an seiner Weiterentwicklung beteiligen. Dänemark entscheidet von Fall zu Fall, ob es sich an der Weiterentwicklung des Acquis auf völkerrechtlicher Grundlage anschließt und das ohne seine Beteiligung zustande gekommene Gemeinschaftsrecht als nationales Recht anwenden will.

Die Kooperationsabkommen zwischen den Anwenderstaaten mit Norwegen und Island sind auf Grundlage des Amsterdamer Vertrages von inhaltlich sehr ähnlichen Assozierungsabkommen mit der EU abgelöst worden. Auch die Schweiz wird mittelfristig die Regelungen des Schengener Vertrags anwenden.

Vertrag von Amsterdam
Durch den Vertrag von Amsterdam wurde die Asylpolitik Bestandteil des EG-Vertrages (Art. 61 bis 69), damit haben Rechtsakte der Union auf diesem Gebiet einen hohen Grad von Verbindlichkeit erhalten und können durch den Europäischen Gerichtshof überprüft werden. Die Fragen des Asyls sind in das Ziel der Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts eingebunden, der auch Regelungen zu einer gemeinsamen Einwanderungspolitik, einer justitiellen Zusammenarbeit in Zivilsachen und zu einer polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen vorsieht. Ziel ist es, einerseits die Integration von aufenthaltsberechtigten Einwanderern zu verbessern, andererseits aber die illegale Einwanderung konsequenter als bisher zu bekämpfen.

So gelang es insbesondere im Dezember 2002, die Verordnung Dublin II zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für die Bearbeitung von Asylanträgen zu verabschieden. Zusammen mit der bereits 2001 angenommenen Eurodac-Verordnung (zur verbesserten Identifizierung von Asylbewerbern) wird auf diese Weise das Asylverfahren wesentlich effektiver gestaltet. Außerdem konnte eine politische Einigung über die Richtlinie betreffend die Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern erzielt werden. Weitere Vorhaben, die bis Mitte 2003 angenommen werden sollen, sind die Richtlinien über die Definition des Flüchtlingsbegriffs und Personen, die subsidiären Schutz. Ergänzt durch den bereits verabschiedeten Europäischen Flüchtlingsfonds sowie die Richtlinie über den vorübergehenden Schutz von Vertriebenen entsteht auf diese Weise ein gemeinsamer Sockel von Mindestvorschriften eines europäischen Asyl- und Flüchtlingsrechts in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention.

Vertrag von Nizza
Mit dem Vertrag von Nizza wurde dieser automatische Übergang von der Einstimmigkeit zur Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit erweitert. Zunächst wird in folgenden Bereichen mit qualifizierter Mehrheit abgestimmt: Asyl und Flüchtlinge (sofern bis dahin entsprechende Gemeinschaftsvorschriften erlassen wurden) sowie justitielle Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Charakter, ausgenommen Aspekte des Familienrechts. Seit 1. Mai 2004 wird mit qualifizierter Mehrheit abgestimmt über Maßnahmen im Bereich der Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen auf dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für maximal drei Monate, der illegalen Einwanderung sowie der administrativen Zusammenarbeit im freien Personenverkehr.

Mit dem EU-Gipfel von Thessaloniki im Juni 2003 ist eine gemeinsame Zuwanderungspolitik für die Europäische Union näher gerückt. Die Europäische Union wird Probleme mit Flüchtlingsströmen stärker zum Thema für ihre Beziehungen mit anderen Staaten machen. Die Union will in den nächsten Jahren 250 Millionen Euro für diese Zusammenarbeit und für die Rückführung von Flüchtlingen aufwenden. Ein Jahresbericht zu Migration wird als erster Schritt für gemeinsame EU-Regelungen zur Steuerung der legalen Einwanderung nach Europa gesehen.

Die EU-Innenminister einigten sich auf Hilfen für die Opfer von Menschenhändlern, wenn diese bei der Ermittlung der Täter helfen. Nach dem Grundsatzbeschluss der Innenminister sollen die Opfer von Menschenhändlern in allen EU-Ländern eine Aufenthaltsgenehmigung von mindestens sechs Monaten bekommen, wenn sie mit der Polizei zusammenarbeiten. Trotz deutscher Bedenken wird die Europäische Union ein gemeinsames Quotensystem zur legalen Einwanderung prüfen. Die EU-Kommission wurde beauftragt, eine Studie zu den Einwanderungsquoten der bald 25 EU-Staaten zu erarbeiten.

Nach monatelangem Tauziehen haben sich die Staaten der Europäischen Union Ende März 2004 auf einen Eckpfeiler ihres gemeinsamen Asylrechts geeinigt. Der Zugang zu den Sozialsystemen und zum Arbeitsmarkt solle sich auch künftig weitgehend nach nationalen Regeln richten. Nach wie vor strittig blieb im Brüsseler Ministerrat die geplante Richtlinie zu den Asylverfahren. Der Ratsvorsitzende und irische Justizminister Michael McDowell sagte, zur Liste so genannter sicherer Drittstaaten und ihrer Anwendung gebe es keine Einigkeit. Gleiches gelte für die Frage der sicheren Herkunftsländer und Regeln für einen Einspruch gegen die Ablehnung eines Asylantrags.

«Grünbuch» über Möglichkeiten zur Regelung des Zugangs von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Ländern
Die EU-Kommission legte Anfang Januar 2005 ein «Grünbuch» über Möglichkeiten zur Regelung des Zugangs von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Ländern vor. Damit soll eine breite Diskussion über eine gemeinsame Einwanderungspolitik angestoßen werden. Im Juli 2005 dieses Jahres soll eine große Anhörung zur Einwanderung stattfinden.

Seit 1999 sind mehrere Vorstöße der Kommission, die Einwanderung aus Drittstaaten zu regeln, am Ministerrat gescheitert. Die Entscheidung über die Frage, wie viele Einwanderer zugelassen werden, liegt bei den nationalen Regierungen. Auch die deutsche Regierung hat bisher stets die Auffassung vertreten, es handele sich um eine Entscheidung, die nicht in die Zuständigkeit der EU falle.

In dem «Grünbuch» der Kommission wird der Vorstoß zur einheitlichen Regelung der Zuwanderung aus Drittstaaten auch damit begründet, dies sei wichtig, um das Wirtschaftswachstum in Zukunft zu sichern. Zwischen 2010 und 2030 werde in den 35 EU-Staaten als Folge der Alterung der Bevölkerung die Zahl der Beschäftigten um 20 Millionen sinken. «Diese Entwicklung wird einen großen Einfluss auf das gesamte wirtschaftliche Wachstum haben.» Für eine Festlegung einheitlicher Entscheidungskriterien spreche auch, «dass in Ermangelung einer solchen Regelung die Migrationsströme eher die nationalen Gesetze und Vorschriften umgehen werden».