Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP)

Ständige militärische Strukturen

Der Aufbau einer eigenständigen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) ist ein noch junges Projekt mit großer Dynamik. Die "Geburtsstunde" war der Europäischer Rat Köln im Jahr 1999. Zentrales Ziel ist die Stärkung der äußeren Handlungsfähigkeit der EU durch den Aufbau ziviler und militärischer Verbände und Einrichtungen zur internationalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung. Aber: Die Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist ein Kernelement der nationalstaatlichen Souveränität der Mitgliedstaaten. Das gemeinsame Handeln fällt deshalb auf diesem Gebiet besonders schwer, gelegentliches Scheitern ist nicht ausgeschlossen.

Wenn die EU-Mitgliedstaaten bei der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) gemeinsam und erfolgreich handeln, wird dies identitätsbildend wirken und die Integration vertiefen. Die ESVP ist damit auch ein Schlüsselprojekt der weiteren europäischen Einigung. Im Zeichen eines erweiterten Sicherheitsbegriffs, der neben politischen und militärischen insbesondere auch wirtschaftliche und soziale Elemente einschließt, hat die EU eine Schlüsselrolle in der sich entwickelnden neuen europäischen Sicherheitsarchitektur. Die Entfaltung zusätzlicher Stabilitätswirkung nach Mittel- und Osteuropa und in den Mittelmeerraum sind besonders wichtige Zielrichtungen.

Die Erfahrungen der letzten internationalen Krisen zeigen, dass eine europäische Sicherheitspolitik notfalls in der Lage sein muss, auch auf militärische Mittel zurückzugreifen. Bereits im Vertrag von Maastricht wurde im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) auf längere Sicht auch eine gemeinsame Verteidigungspolitik vorgesehen, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte.

Verteidigungspolitik
Die EU-Verträge geben der Union das Instrument einer gemeinsamen Sicherheitspolitik an die Hand. Dazu gehört auch die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik - der ESVP, die einen Bestandteil der GASP bildet. Die ESVP ersetzt jedoch nicht die Sicherheits- und Verteidigungspolitik einzelner Mitgliedstaaten, sondern ergänzt deren Handlungsmöglichkeiten. Sie steht schon deshalb nicht im Widerspruch zur Zusammenarbeit auf der Ebene der NATO.

Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung im Juni 1999 in Köln die Krisenbewältigung zum zentralen Anliegen der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gemacht; diese Aufgaben sind auch unter dem Namen "Petersberg-Aufgaben" bekannt, so genannt nach dem Ort, an dem sie im Juni 1992 vom Ministerrat der Westeuropäischen Union (WEU) festgelegt wurden.

Es handelt sich dabei um humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung, einschließlich friedensschaffender Maßnahmen. Der Europäische Rat hat hierzu Folgendes erklärt: "Im Hinblick darauf muss die Union die Fähigkeit zu autonomem Handeln, gestützt auf glaubwürdige militärische Fähigkeiten, sowie die Mittel und die Bereitschaft besitzen, dessen Einsatz zu beschließen, um - unbeschadet von Maßnahmen der NATO - auf internationale Krisensituationen zu reagieren".

Der Europäische Rat von Helsinki legte im Dezember 1999 das Gesamtziel im Bereich der militärischen Fähigkeiten fest (European Headline Goal): Danach sollte die Union bis zum Jahr 2003 in der Lage sein, innerhalb von 60 Tagen bis zu 60.000 Soldaten, die sämtliche Petersberg-Aufgaben wahrnehmen können, für einen Einsatz von mindestens einem Jahr bereitzustellen. Die Verwirklichung dieses Ziels bedeutet jedoch nicht die Schaffung einer europäischen Armee, denn die Bereitstellung und Verlegung nationaler Truppen erfolgt auf der Grundlage einer souveränen Entscheidung der Mitgliedstaaten.

Im Dezember 2000 beschloss der Europäische Rat Nizza , im Rat neue ständige politische und militärische Strukturen für die politische Kontrolle und strategische Leitung bei Krisen, das heisst ein Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee und einen Militärausschuss, einzusetzen. Darüber hinaus gibt es im Sekretariat des Rates nunmehr einen Militärstab, der sich aus von den Mitgliedstaaten entsandten Militärexperten zusammensetzt und der militärischen Leitung durch den Militärausschuss untersteht, den er unterstützen soll.

Die Union hat ferner Regelungen festgelegt, die die Beteiligung von Drittländern (die europäischen NATO-Mitglieder, die nicht der Union angehören, und andere Länder, die sich um den Beitritt zur Union bewerben) sowie anderer Partner an der militärischen Krisenbewältigung durch die EU gestatten.

Im Zusammenhang mit dem Europäischen Rat Kopenhagen wurden im Dezember 2002 Dauervereinbarungen zwischen EU und NATO geschlossen. Treffen zwischen Union und NATO zu bestimmten spezifischen Bereichen finden regelmäßig statt. Insbesondere soll die Union gegebenenfalls Operationen unter Rückgriff auf Mittel und Fähigkeiten der NATO (insbesondere die Planungskapazitäten und die Führungsoptionen) durchführen können. Damit sind die Grundlagen für eine strategische Partnerschaft zwischen EU und NATO gelegt. Die EU hat im Mai 2002 eine erste Übung zur Krisenbewältigung durchgeführt (Crisis Management Exercise 2002).

Die Union hat ferner beschlossen, die zivilen Aspekte der Krisenbewältigung in vier prioritären Bereichen auszubauen (Grundlage hierfür sind die Beschlüsse des Europäischen Rats Feira):

  • Polizei,
  • Stärkung der Rechtsstaatlichkeit,
  • Stärkung der Zivilverwaltung und
  • Katastrophenschutz.

Durch mehrere Konferenzen haben die Mitgliedstaaten Beiträge in diesen Bereichen zugesagt (so trägt die Bundesrepublik Deutschland mit bis zu 900 Polizisten zu dem Ziel einer Gesamtzahl von 5.000 Polizisten für internationale Missionen bei). Diese Arbeiten sind Ausdruck des Gesamtkonzepts der Union im Bereich der Krisenbewältigung, das es ihr ermöglichen soll, das Spektrum an zivilen Instrumenten weiter auszubauen.

Mit Wirkung vom 1. Januar 2003 hat die EU die Polizei-Mission in Bosnien-Herzegowina von den Vereinten Nationen übernommen. Diese Mission mit einer Gesamtstärke von rund 800 Polizeibeamten und Unterstützungskräften ist die erste ESVP-Operation überhaupt.

Die Kriseneinsätze der Europäischen Union könnten allerdings die finanziellen Möglichkeiten der EU-Kommission und der Mitgliedsländer künftig übersteigen. In einem Strategiepapier der Bundesregierung zu möglichen EU-Einsätzen wurde vor einer Unterfinanzierung des Gemeinschaftsetats für außenpolitische Aufgaben und zusätzlichen Belastungen für Deutschland gewarnt. Der Haushaltsentwurf der EU für 2004 sieht nur 52,6 Millionen Euro für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) vor.

Die NATO soll aber bei Militäreinsätzen Vorrang haben
Die EU kann im Falle eigener Einsätze auf die NATO zurückgreifen kann. Hierzu gibt es Übereinkommen zwischen beiden Organisationen und gemeinsame Erfahrungen beim Mazedonien-Einsatz. Um die Zusammenarbeit zu verbessern, soll aus der für Mazedonien eingerichteten EU-Zelle im militärischen NATO-Hauptquartier eine dauerhafte Einrichtung werden. Umgekehrt wird die NATO eingeladen, eine Verbindungsstelle bei den EU-Militärs einzurichten.

EU-Einsätze ohne NATO-Beteiligung sollen, grundsätzlich von einem der nationalen Hauptquartiere geführt werden. Solche gibt es in Großbritannien, Frankreich und für die Bundeswehr in Potsdam. Nur «unter gewissen Umständen» kann die EU entscheiden, ihren gemeinsamen Militärstab mit der Einsatzführung zu beauftragen - nämlich wenn eines der nationalen Hauptquartiere nicht
ur Verfügung steht und wenn es um gemischt militärisch-zivile Aufgaben geht. In Bezug auf die militärische EU-Führung wird betont: «Es handelt sich nicht um einen ständigen Generalstab.»

Entscheidungsverfahren
Die Entscheidungen zur europäischen Verteidigungspolitik werden im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik getroffen. Hier finden Sie weitere Informationenen zum Entscheidungsverfahren im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

Damit bleibt das Politische und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) das wichtigste Gremium für die Vorbereitung und Leitung von Missionen der Gemeinsamen Sicherheitspolitik. Doch dem Hohen Vertreter (als dem wichtigsten Koordinator für zivile und militärische Instrumente) kommt nunmehr eine bedeutendere Rolle und ein konkretes Mandat zur Gewährleistung der Kohärenz zu, was ihn möglicherweise zum neuen Dreh- und Angelpunkt der GASP werden lässt.

Der nächste Unterabsatz des Vertrages (Artikel 42 Absatz 5 EUV) sieht das Delegieren einer „Mission" im Rahmen der Union (z. B. einer EU-Mission auf der Grundlage eines einstimmigen Beschlusses) an eine „Gruppe von Mitgliedstaaten" vor. Wenngleich dies nicht ausdrücklich erwähnt wird, könnte dies in Form multinationaler Streitkräfte oder einer EU-Kampfgruppe erfolgen (da die Union nicht über ein stehendes Heer verfügt).

EU stellt "Battle Groups" auf
Die Europäische Union kann seit 2007 mit kleinen und hoch mobilen Kampfeinheiten in Krisensituationen eingreifen. Die Verteidigungsminister der EU verständigten sich bei einem Treffen im Oktober 2004 im niederländischen Seebad Noordwijk auf die Aufstellung von «Battle Groups» (Kampfgruppen).

Alle EU-Länder, die auch zur NATO gehören, können Verbände abwechselnd für die NRF und für die EU melden. An den Battle Groups der EU beteiligen sich nicht nur militärisch neutrale Länder wie Österreich und Finnland, sondern auch das nicht zur Union gehörende NATO-Land Norwegen.

Kritiker der Battle Groups bemängeln allerdings, dass Staaten beteiligt seien, deren Soldaten erst nach parlamentarischer Zustimmung entsandt werden dürfen. Tatsächlich sind die Battle Groups seit 2007 noch nie zum Einsatz gekommen.

Die EU-Verteidigungsagentur soll vor allem gemeinsame Rüstungsprojekte koordinieren und für die Vereinbarkeit der Ausrüstung nationaler Armeen im gemeinsamen Einsatz sorgen. Fünf EU-Staaten - Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und die Niederlande - unterzeichneten eine Vereinbarung über den Aufbau einer europäischen Gendarmerie. Sie soll vor allem dann eingesetzt werden, wenn nach einem militärischen Eingreifen vor allem polizeiliche Fähigkeiten gefragt sind.

Die beteiligten Staaten verfügen bereits alle über eine eigene, paramilitärische Gendarmerietruppe. Deutschland wird sich nicht beteiligen.

II. Korps in Ulm wird zum Kommando Eingreifkräfte für EU-Einsätze
Ulm (dpa) - Aus dem II. Korps der Bundeswehr in Ulm wird im Herbst 2005
das «Kommando Operative Führung Eingreifkräfte». Die Einheit werde
künftig «als bewegliches Hauptquartier» multinationale Einsätze der
Europäischen Union führen, gab der Kommandierende General Jan Oerding
in einer am Mittwoch rpt Mittwoch verbreiteten Mitteilung bekannt.
Das Kommando werde mit 300 Soldaten aus allen Teilstreitkräften
ausgestattet sein. Die Umstrukturierung sei Teil der
Bundeswehrreform.

EU-Länder verkaufen laut SIPRI-Erhebung mehr Waffen als die USA
Die Staaten der Europäischen Union spielen im internationalen Waffenhandel eine immer größere Rolle. 2003 übertrafen die EU-Rüstungsexporte 2003 erstmals die Waffenausfuhren der USA. So eine Erhebung des Stockholmer Instituts für Friedensforschung SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute). Der Anteil der EU-Mitglieder am weltweiten Waffenexport belief sich im vergangenen Jahr demnach auf mehr als 25 Prozent.

Die Waffenausfuhren der EU beliefen sich der SIPRI-Erhebung zufolge auf rund 4,7 Milliarden Dollar (3,95 Milliarden Euro). Mehr als 80 Prozent der Exporte aus der EU stammen aus Frankreich,
Deutschland und Großbritannien. Die US-Exporte betrugen knapp 4,4 Milliarden Dollar (23,5 Prozent). Weltweit größter Waffenhändler war zum dritten Mal in Folge Russland, das mit einem Anteil von mehr als 37 Prozent auf dem Rüstungssektor nun wieder so dominant sei wie zu Sowjetzeiten.

Auswirkungen der Schuldenkrise
Die Staatsverschuldungskrise bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die verteidigungspolitische Handlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die Verteidigungshaushalte der EU-Staaten werden zwischen 2006 und 2014 wohl um rund 14 Prozent schrumpfen.