Ende der Corona-Rezession: Europas Wirtschaft soll kräftig wachsen

12.05.2021 13:49

Noch vor drei Monaten dämpfte die EU-Kommission Erwartungen, doch
jetzt herrscht Zuversicht: Europa kämpft sich langsam raus aus der
Wirtschaftskrise. Eine Warnung kommt trotzdem aus Brüssel.

Brüssel (dpa) - Nach der historischen Corona-Krise schwenkt die
europäische Wirtschaft wieder auf einen kräftigen Wachstumskurs. Die
EU-Kommission hob ihre Konjunkturprognose für 2021 und 2022 am
Mittwoch deutlich an. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni verwies
auf Impferfolge und Öffnungsschritte, aber auch auf Schub durch die
Weltwirtschaft und die milliardenschweren EU-Aufbauhilfen. «Der
Schatten von Covid-19 hebt sich langsam von der europäischen
Wirtschaft», sagte er. Die deutsche Industrie teilt die Zuversicht.

In den 27 EU-Staaten erwartet die EU-Kommission für 2021 nun 4,2
Prozent Wachstum, in den 19 Staaten der Eurozone 4,3 Prozent. Für
nächstes Jahr wird sowohl für die EU als auch für die Eurozone ein
Plus von 4,4 Prozent vorhergesagt. Das ist jeweils rund ein halber
Prozentpunkt mehr als noch im Februar prognostiziert.

Die Werte für Deutschland, die größte Volkswirtschaft der EU und der

Eurozone, liegen etwas unter dem Schnitt: Die EU-Kommission geht von
3,4 Prozent Wirtschaftswachstum 2021 und 4,1 Prozent 2022 aus. Doch
war auch der Einbruch in der Pandemie in Deutschland geringer als in
anderen Staaten. Ende dieses Jahres soll das Bruttoinlandsprodukt
wieder so hoch sein wie vor der Krise, wie Gentiloni sagte.

Andere große Eurostaaten brauchen nach dieser Prognose länger, obwohl
sie schneller wachsen. Frankreich wird laut Gentiloni wohl Anfang
2022 wieder auf Vorkrisenniveau sein, Italien und Spanien erst Ende
2022. Die drei Länder waren wie Griechenland mit einem Minus von mehr
als 8 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt am stärksten von der Krise
betroffen. Spaniens Wirtschaft büßte sogar 10,8 Prozent ein.

Diese Staaten sollen nun auch die meisten Aufbauhilfen aus dem
Programm Next Generation EU bekommen. Gentiloni rechnet damit, dass
der Aufbaufonds RRF dieses Jahr insgesamt 62 Milliarden Euro
auszahlt, nächstes Jahr dann 77 Milliarden Euro. Diese Corona-Hilfen
würden die europäische Wirtschaftsleistung bis Ende 2022 um rund 1,2
Prozent des Werts von 2019 anheben.

«Next Generation EU steht für eine beispiellose Unterstützung der
EU-Wirtschaft», sagte Gentiloni. Noch sind die Hilfen aber nicht
startklar: Einige der 27 Staaten müssen die nötigen Beschlüsse noch
ratifizieren. Gentiloni warnte nochmals davor, nationale
Corona-Hilfen zu schnell zurückzufahren und die EU-Schuldenregeln
wieder einzusetzen.

Schulden und Haushaltsdefizite der EU-Staaten würden dieses Jahr noch
weiter wachsen, bevor sie wieder abnähmen. So werden 2021 die
EU-Staaten gemessen am Bruttoinlandsprodukt im Schnitt ein
Haushaltsdefizit von 7,5 Prozent aufweisen. 2022 soll dieser Wert
dann wieder auf knapp unter 4 Prozent sinken. Die Schuldenquote,
ebenfalls gemessen am Bruttoinlandsprodukt, soll dieses Jahr in der
EU auf 94 Prozent steigen, in der Eurozone sogar auf 102 Prozent.

Erlaubt wären nach EU-Regeln normalerweise 3 Prozent Haushaltsdefizit
und 60 Prozent Verschuldung. Die Vorgaben wurden jedoch wegen der
Pandemie 2020 ausgesetzt. Das müsse bis Ende 2022 so bleiben,
bekräftigte Gentiloni.

Trotz der enormen Ausgaben für Krisenhilfen hält die Kommission die
Inflationsrisiken für mäßig. Von 0,7 Prozent im vergangenen Jahr
werde die Rate in der EU insgesamt 2021 auf 1,9 Prozent steigen und
dann 2022 wieder auf 1,5 Prozent sinken. Für die Eurozone werden für
dieses Jahr 1,7 Prozent und nächstes Jahr 1,3 Prozent angenommen. Man
beobachte das Problem engmaschig, auch weil es in den USA ein Thema
sei, sagte Gentiloni. Aber die genannte EU-Prognose stütze sich auf
alle verfügbaren Daten.

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie erwartet eine schnelle
Erholung in allen großen EU-Volkswirtschaften - darunter Deutschland.
«Wir erwarten für das Jahr 2021 einen Anstieg der Produktion im
verarbeitenden Gewerbe in Deutschland um acht Prozent», sagte
BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. 2020 war der Wert um 9,8
Prozent zurückgegangen. Die längste, seit mehr als zwei Jahren
anhaltende Rezession der deutschen Industrie werde in diesem Jahr
enden, betonte Lang.

Beim Welthandel erwarte der Verband für 2021 ein Plus von acht bis
neun Prozent. Die deutschen Warenausfuhren dürften laut BDI in diesem
Jahr um 8,5 Prozent zulegen.