Neue Spannungen im Südkaukasus - Aserbaidschan hält Manöver ab

16.05.2021 10:20

Baku/Eriwan (dpa) - Inmitten neuer Spannungen mit dem Nachbarland
Armenien im Südkaukasus hat Aserbaidschan groß angelegte Manöver
begonnen. Bis zu 15 000 Soldaten sowie 300 Panzer und andere
Militärfahrzeuge seien an den mehrtägigen Übungen beteiligt, teilte
das Verteidigungsministerium am Sonntag in der Hauptstadt Baku mit.
Zum Einsatz kommen demnach auch 400 verschiedene Raketen- und
Artilleriesysteme. Zugleich wies das Außenministerium am Sonntag
Anschuldigungen Armeniens als «völlig unbegründet» zurück, die Gr
enze
verletzt zu haben. Die Lage gilt als höchst angespannt.

Armenischen Angaben zufolge hatten aserbaidschanische Truppen im
südlichen Gebiet Sjunik Anhöhen besetzt, die Armenien als eigenes
Territorium ansieht. Das sei ein «absolut inakzeptabler Eingriff» in
Hoheitsgebiete Armeniens, hieß es aus der Hauptstadt Eriwan. Das
Nachbarland hatte dagegen erklärt, dass in dem Hochgebirgsgebiet nach
der «Verbesserung der Wetterbedingungen» die eigentliche Grenze zum
westlichen Nachbarstaat gesichert werde.

Armenien drohte am Wochenende mit «Maßnahmen», sollten sich die
aserbaidschanischen Truppen nicht zurückziehen. Oppositionsparteien
brachten zudem die Bildung einer Art Bürgerwehr ins Gespräch, sollte
die Armee den Schutz der Grenzen nicht übernehmen, wie aus in einer
Erklärung hervorgeht. Die Ex-Sowjetrepublik Armenien befindet sich
derzeit im Wahlkampf, in einem Monat wird vorzeitig ein neues
Parlament gewählt.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zeigte sich indes besorgt über
die Lage an der Grenze: Man habe beide Seiten dazu aufgefordert, sich
äußerst zurückzuhalten und die Situation zu deeskalieren. Am Freitag

hatte bereits Kremlchef Wladimir Putin alle Seiten aufgerufen, den im
November vereinbarten Waffenstillstand einzuhalten. Am Wochenende
liefen Verhandlungen zur Lösung des neuerlichen Konflikts.

Bei dem jüngsten Krieg vom 27. September bis 9. November um
Berg-Karabach hatte sich Aserbaidschan weite Teile des Anfang der
1990er Jahre verlorenen Gebiets zurückgeholt. Mehr als 6000 Menschen
starben bei den Kämpfen. Russland hatte zwischen den beiden
verfeindeten Ländern einen Waffenstillstand vermittelt.