Urteil zu EZB-Staatsanleihen eingehalten? Verfassungsgericht reagiert

17.05.2021 17:30

Karlsruhe (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht hat vor einem Jahr
Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) beanstandet
und sich zum ersten Mal über eine Vorabentscheidung des Europäischen
Gerichtshofs (EuGH) hinweggesetzt. Doch es gibt unterschiedliche
Meinungen darüber, ob die deutsche Politik die Vorgaben aus Karlsruhe
ordnungsgemäß umgesetzt hat. Während Bundesregierung und Bundestag
davon überzeugt sind, sehen der ehemalige CSU-Politiker Peter
Gauweiler und eine Klägergruppe um den früheren AfD-Chef Bernd Lucke
das anders. Sie haben zwei Anträge auf Erlass einer sogenannten
Vollstreckungsanordnung eingereicht. Hierzu will das Gericht am
Dienstag (9.30 Uhr) Stellung nehmen. (Az. 2 BvR 1651/15 u.a.)

Der Zweite Senat hatte im Mai vergangenen Jahres mehreren Klagen
gegen das 2015 gestartete Kaufprogramm PSPP zur Ankurbelung von
Inflation und Konjunktur überwiegend stattgegeben. Die Notenbank
überspanne damit ihr Mandat für die Geldpolitik. Die Richterinnen und
Richter verpflichteten damals Bundesregierung und Bundestag, für eine
weitere Beteiligung der Bundesbank darauf hinzuwirken, dass die EZB
nachträglich prüft, ob die milliardenschweren Käufe verhältnismä
ßig
sind. Dafür bekamen sie drei Monate Zeit.

Weil sich Karlsruhe mit seinem Urteil offen gegen den EuGH gestellt
hatte, prüft die EU-Kommission noch, ob sie ein sogenanntes
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleitet. Der EuGH
hatte dem Kaufprogramm im Dezember 2018 gegen massive Bedenken aus
Karlsruhe seinen Segen erteilt. Diese Vorabentscheidung aus Luxemburg
sei «schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar», hieß es in der
Entscheidung der deutschen Verfassungsrichter.