Reisefreiheit durch EU-Impfnachweis? Von Marek Majewsky, dpa

18.05.2021 15:33

Künftig sollen Corona-Impfungen ganz einfach nachgewiesen werden
können: Schnell einen Barcode auslesen und schon sind Geimpfte etwa
von einer Quarantäne befreit. Das Prinzip klingt simpel - doch über
die Details wird in der Europäischen Union noch gestritten.

Brüssel (dpa) - Der Sommerurlaub steht vor der Tür - und passend dazu
soll Reisen in Europa trotz Corona-Pandemie wieder einfacher
werden. Dabei könnte ein EU-weiter Impfnachweis helfen, der im Juni
eingeführt werden soll. Derzeit läuft eine Testphase, die Pilottests
in zehn Ländern waren laut EU-Kommission bereits erfolgreich.
Insgesamt wird das Zertifikat bis Ende kommender Woche in 22 Staaten
getestet worden sein. Die EU-Länder und das Europaparlament
diskutieren noch über Details. Vieles steht aber schon fest:

Welche Daten sollen gespeichert werden?

Das Zertifikat soll Aufschluss darüber geben, welchen Impfstoff der
Inhaber beziehungsweise die Inhaberin erhalten hat. Zudem sollen
den Angaben zufolge auch Informationen zu frischen Tests und
durchgestandenen Corona-Infektionen hinterlegt sowie der Name, das
Geburtsdatum, das Impfdatum und der Aussteller des Zertifikats
ausgelesen werden können.

Papier oder digital - ein Zertifikat zum Anfassen?

Zum einen soll es möglich sein, die Nachweise digital auf dem
Smartphone in einer sogenannten Wallet App zu hinterlegen - in
Deutschland wird das unter anderem die Corona-Warn-App sein. Eine App
zur reinen Anzeige des Zertifikats wird in Deutschland derzeit unter
der Führung des Technologiekonzerns IBM entwickelt, weitere Apps
dürften folgen. Mit Hilfe eines Barcodes sollen die Informationen
dann in der ganzen EU fälschungssicher ausgelesen werden können. Wer

kein Smartphone besitzt oder das Zertifikat nicht digital speichern
möchte, kann es auch in Papierform bekommen.

Wer stellt den Nachweis aus?

In Deutschland sollen die Dokumente laut Gesundheitsministerium nur
von autorisierten Menschen in Impfzentren, Arztpraxen und
Krankenhäusern ausgestellt werden. Wie bereits Geimpfte an einen
Nachweis kommen, ist noch nicht abschließend geklärt. Voraussichtlich
soll der Nachweis dort erhältlich sein, wo die Impfungen verabreicht
wurden. «Es werden verschiedene Möglichkeiten geprüft, um auch
nachträglich digitale Impfnachweise zu erstellen», teilte das
Gesundheitsministerium mit.

Wird das Impfzertifikat zur Pflicht?

Nein. «Der digitale Impfnachweis ist lediglich ein freiwilliges und
ergänzendes Angebot», heißt es in einer aktuellen Information des
Bundesgesundheitsministeriums. Wer keinen digitalen Impfnachweis
besitze, könne eine Impfung weiterhin über den gelben Impfausweis
nachweisen.

Wofür wird das Zertifikat dann benötigt?

Das entscheiden die EU-Länder selbst. Beliebte Reiseländer wie
Griechenland und Spanien sind schon länger an dem Zertifikat
interessiert. Für was es dort konkret genutzt werden soll, steht aber
noch nicht fest. In Italien gibt es bereits mehrere Dokumente, die
als nationaler Grüner Pass eingestuft sind und ähnlich wie der
künftige Nachweis genutzt werden können. Unter anderem können die
Menschen mit diesen Zertifikaten nachweisen, dass sie eine Erkrankung
überstanden haben oder vollständig geimpft sind.

Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

Alle Beteiligten versichern, dass der Datenschutz gewährleistet sei.
Es werden den Angaben zufolge keine persönlichen Daten auf Servern
gespeichert, sondern nur auf dem eigenen Handy. Das Zertifikat stellt
lediglich sicher, dass die auf dem Smartphone hinterlegten Daten
authentisch sind und tatsächlich zu der auf dem Zertifikat
angegebenen Person gehören.

Was ist noch strittig?

Diskutiert wurde in den vergangenen Tagen unter anderem darüber,
welchen Status frisch Getestete haben sollen und wer für die Kosten
der Tests aufkommt. Das EU-Parlament setzt sich für kostenlose Tests
ein. Einige EU-Staaten sehen darin jedoch eine Einmischung des
EU-Parlaments in ihre nationale Zuständigkeit. Außerdem geht es um
die Frage, ob das Zertifikat automatisch Reisefreiheit in Europa
bedeutet oder ob und wie die EU-Staaten diese einschränken können.
Auch diese Frage liegt in der Kompetenz der einzelnen Länder.