EU-Regeln zur Unternehmensteuer? Brüssel bohrt ein dickes Brett Von Verena Schmitt-Roschmann, dpa

18.05.2021 15:24

Gewinne verschieben, Steuern sparen: Einige Konzerne nutzen
«aggressive Steuerplanung», um möglichst wenig an den Fiskus
abzuführen. In der EU sorgt das für Streit und Ungleichgewichte. Die
EU-Kommission will Abhilfe schaffen.

Brüssel (dpa) - Bis zu 70 Milliarden Euro jährlich gehen den
EU-Staaten Schätzungen zufolge durch Steuervermeidung großer Konzerne
verloren - aus Sicht der EU-Kommission untragbar in Zeiten großer
Haushaltslöcher und Pandemiekosten. Die Brüsseler Behörde plant
deshalb einen neuen Anlauf, mit einheitlichen Regeln Schlupflöcher zu
stopfen und das Aufkommen zwischen den EU-Staaten fairer zu
verteilen. Unternehmen verspricht sie Kostenersparnis durch weniger
Bürokratie. Der Erfolg der Initiative ist allerdings fraglich. Wieder
einmal, muss man sagen.

Die Kommission hatte schon 2011 ein ähnliches Konzept vorgelegt: die
Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage,
abgekürzt GKKB oder auch CCCTB nach dem englischen Begriff. 2016
erneuerte die EU-Behörde den Vorstoß - schon damals mit dem Hinweis
auf jährlich 50 bis 70 Milliarden Euro Mindereinnahmen durch
Steuervermeidung beziehungsweise «aggressive Steuerplanung», meist
durch Verschiebung von Gewinnen in Länder mit niedrigen Steuersätzen.
Beide Vorlagen versandeten, weil sich die EU-Staaten nicht einig
wurden.

Kurzfristig kündigt die Kommission in ihrem Plan zur
«Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert» jetzt zunächst
einige kleinere Initiativen an. So will sie in den nächsten Monaten
eine neue Regel auf den Weg bringen, nach der große Konzerne ihre
tatsächliche Steuerquote offen legen müssen. Eine zweite Initiative
soll den Missbrauch von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke eindämmen.
Darüber hinaus soll es einen Vorschlag zur Verlustverrechnung geben
sowie einen zur Absetzbarkeit von Kosten für Kapitalerhöhungen.

Mittelfristig will die Kommission dann das große Rad drehen: Der
CCCTB-Vorschlag soll zurückgezogen und 2023 durch ein Konzept namens
BEFIT ersetzt werden. Vorerst nennt die Behörde nur Eckpunkte:
Geplant sei ein einheitliches Regelwerk für Unternehmen, die in
mehreren EU-Staaten tätig sind. Basis sei eine einheitliche
Bemessungsgrundlage und eine Verteilformel. Diese Formel ist vor
allem eine Methode, die Rechte zur Besteuerung zwischen den 27
EU-Staaten aufzuteilen. Die Steuersätze würden national bleiben.

Die EU-Kommission wirbt mit dem Argument der Verlässlichkeit sowohl
für Unternehmen als auch für die EU-Staaten. Der Binnenmarkt würde
besser funktionieren, und die steuerpflichtigen Unternehmen hätten es
leichter. «Firmen, die in der EU Geschäfte betreiben, müssen immer
noch mit bis zu 27 verschiedenen nationalen Steuersystemen fertig
werden», erklärt die Kommission. Das sei kompliziert und lasse
Schlupflöcher - zulasten anderer Steuerzahler. Das behindere
Investitionen und Wachstum.

Allerdings nützten diese Argumente bisher wenig, da die Interessen
der EU-Staaten weit auseinander laufen. Länder wie Irland, Luxemburg
oder die Niederlande haben in den vergangenen Jahren große Konzerne
mit günstigen Steuern angelockt, oft zum Verdruss ihrer Nachbarn und
der EU-Kommission. Die versuchte immer wieder wettbewerbsrechtlich
gegen Steuersparmodelle vorzugehen, erlitt aber erst vergangene Woche
im Streit mit Luxemburg und dem Digitalriesen Amazon wieder eine
Schlappe vor dem EU-Gericht.

Luxemburg wehrt sich regelmäßig gegen Vorwürfe unlauterer
Steuerpraktiken. Aber eine Untersuchung des Instituts der deutschen
Wirtschaft zur GKKB zeigte 2019 deutlich, wer bei einer gemeinsamen
Bemessungsgrundlage am meisten zu verlieren hätte: Irland vor den
Niederlanden und Luxemburg. Gewinner wären hingegen Frankreich,
Italien, Spanien und auch Deutschland. Genau diese Umverteilung macht
eine Einigung so schwierig, zumal eine Entscheidung der 27 Staaten
einstimmig fallen müsste.

Die EU-Kommission gibt sich zuversichtlich, dass die für den Sommer
anvisierte Einigung auf globale Regeln zur Unternehmensteuer im
Rahmen der Industriestaatenorganisation OECD die Fronten aufweicht
und BEFIT zum Durchbruch verhilft. Denn auch hier geht es um
Verteilformeln, um ähnliche Prinzipien im globalen Maßstab.

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber ist skeptischer. «Ein neuer
einheitlicher Rahmen für die Unternehmensbesteuerung in der EU ist im
Grundsatz ein vernünftiger Ansatz und wäre ein echter Mehrwert für
den Binnenmarkt», erklärt der Finanzpolitiker. «Allerdings hat sich
die Kommission mit ähnlichen Vorschlägen bereits mehrfach eine
blutige Nase geholt.»

Der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold sieht das ähnlich: «Die
Vorschläge sind gut, aber es fehlt an einem Plan für die
Durchsetzung. Pläne für mehr Steuergerechtigkeit sind nichts wert,
wenn sie von einzelnen Steueroasen per Veto blockiert werden können.»