Deutschland Spitzenreiter beim Strompreis - Entlastung gefordert Von Claus Haffert und Andreas Hoenig, dpa

07.06.2021 14:36

Nirgends in Europa ist der Strom für Haushalte so teuer wie
in Deutschland. Als Hauptpreistreiber gelten Abgaben und Steuern.
Seit langem wird deshalb über Reformen diskutiert. Eine schnelle
Trendwende scheint aber nicht in Sicht.

Berlin (dpa) - Es ist kein begehrter Spitzenplatz, den Deutschland in
dieser europaweiten Statistik einnimmt: Nirgendwo müssen Haushalte so
viel für den Strom bezahlen wie im bevölkerungsreichsten EU-Land.
Nach Zahlen des europäischen Statistikamts Eurostat kostete die
Kilowattstunde im zweiten Halbjahr 2020 in Deutschland bei einem
Jahresverbrauch zwischen 2500 und 5000 Kilowattstunden 30,06 Cent.
Bei einem geringeren Verbrauch fällt der Strompreis noch höher aus.
Die Zahlen befeuerten am Montag die Debatte um eine nachhaltige
Entlastung der Stromkosten.

Deutschland ist vor Dänemark Spitzenreiter beim Strompreis in Europa.
Bei Deutschlands nördlichem Nachbarn schlug eine Kilowattstunde
inklusive aller Abgaben und Steuern mit 28,19 Cent zu Buche. Im
Durchschnitt der 27 EU-Länder kostete die Kilowattstunde den
Eurostat-Zahlen zufolge 21,34 Cent.

Als Hauptpreistreiber bei den Stromkosten gelten Abgaben und Steuern.
Werden sie herausgerechnet, kostete die Kilowattstunde laut Eurostat
in Deutschland 14,51 Cent. Das ist weniger als in Irland, Belgien und
Luxemburg. Zum EU-Durchschnitt von 12,82 Cent ist der Abstand so auch
geringer als beim Gesamtpreis.

Über eine Entlastung der Verbraucher wird seit langem diskutiert. Die
Chefin des Energieverbands BDEW, Kerstin Andreae, forderte am Montag,
die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms spätestens bis 2026
schrittweise auf null zu reduzieren. «Die Steuer- und Abgabenlast auf
Strom ist mit über 50 Prozent einfach zu hoch», sagte sie. Das sei
ein Hemmschuh für umweltfreundliche strombasierte Anwendungen wie die
Elektromobilität oder den Einsatz von Wasserstoff.

Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, nannte
die Strompreise «inakzeptabel hoch». Die Stromsteuer müsse für
Privathaushalte abgeschafft und die EEG-Umlage grundlegend reformiert
werden, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). «Das
Grundkontingent für Haushalte sollte besonders günstig sein. Strom
und Energie dürfen nicht zum Luxusgut werden.»

Die schwarz-rote Koalition hat sich bisher nicht auf eine
grundlegende Reform zur Entlastung bei den hohen Strompreisen einigen
können. Zwar soll die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms nach den

Jahren 2021 und 2022 auch 2023 und 2024 mit Milliardenmitteln aus dem
Bundeshaushalt stabilisiert werden. Das ist eine Maßnahme, um im
Gegenzug zum CO2-Preis beim Tanken und Heizen Verbraucher zu
entlasten.

Einen Plan zur dauerhaften Abschaffung der Umlage, die Stromkunden
über die Stromrechnung bezahlen, gibt es aber nicht. Vor allem
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will, dass die EEG-Umlage
vollständig abgeschafft und die Förderung der Ökostrom-Umlagen aus
Steuermitteln bezahlt wird. Das aber ist finanziell ein Riesenbatzen
- und im Haushalt drohen nach den massiven Belastungen der
Corona-Krise große Löcher.

In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres hatten die
Privathaushalte in Deutschland von der befristeten Senkung der
Mehrwertsteuer profitiert. Strom verbilligte sich nach Berechnungen
des Statistischen Bundesamtes um 2,4 Prozent im Vergleich zu den
ersten sechs Monaten des Jahres. Marktbeobachter registrieren aber
Anzeichen für einen erneuten Anstieg. Im Großhandel gebe es bereits
höhere Preise, sagte Thorsten Storck, Energieexperte beim
Vergleichsportal Verivox. Die günstigsten Angebote für Verbraucher
seien seit Jahresbeginn bereits um rund 6 Prozent teurer geworden.