Grüne kritisieren Merkels Aussagen in Polen als «verheerendes Signal»

13.09.2021 12:02

Brüssel (dpa) - Aus dem Europaparlament kommt scharfe Kritik an den
Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Streit über
die Rechtsstaatlichkeit in Polen. «Die Aussagen senden ein
verheerendes Signal an die europäische Rechtsgemeinschaft», sagte der
Abgeordnete und Sprecher der deutschen Grünen, Sven Giegold, am
Montag. Ausgerechnet jetzt, wo EU-Kommissionspräsidentin Ursula von
der Leyen endlich Sanktionen gegen Polen eingeleitet habe, falle
Merkel ihr in den Rücken. «Europäische Rechtsstaatlichkeit muss
durchgesetzt, nicht politisch verhandelt werden», sagte Giegold.

Der Europaabgeordnete bezog sich mit seiner Kritik darauf, dass
Merkel am Wochenende bei einem Treffen mit Ministerpräsident Mateusz
Morawiecki in Warschau gesagt hatte: «Politik ist doch mehr, als nur
zu Gericht zu gehen.» Diese Äußerungen wurden von Kritikern als
Missbilligung der Arbeit der EU-Kommission verstanden, die vergangene
Woche beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) finanzielle Sanktionen
gegen Polen beantragt hatte. Hintergrund war insbesondere die
fortgesetzte Tätigkeit der polnischen Disziplinarkammer zur
Bestrafung von Richtern. Der EuGH hatte in einer einstweiligen
Anordnung den Stopp der Tätigkeit dieser Kammer angeordnet, woran
sich Warschau aber nicht hält.

Brüssel und Warschau streiten schon seit längerem über Änderungen i
m
polnischen Justizsystem. Kritiker werfen der nationalkonservativen
PiS-Regierung vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben.
Neuer Streit droht zudem, weil das polnische Verfassungsgericht
derzeit prüft, ob polnisches Recht im Zweifelsfall Vorrang vor
EU-Recht hat. Für die EU-Kommission ist das ganz klar nicht der Fall.

Giegold sagte zu dem Streit: «Was Merkel sagt, hat in Europa
Gewicht.» Wenn der größte EU-Mitgliedsstaat es mit der
Rechtsdurchsetzung nicht so genau nehme, würden Länder wie Polen ihr
Verhalten nicht ändern. Von der Leyen habe sehr lange gezögert, aber
jetzt verdiene sie Unterstützung beim Vorgehen gegen den
Rechtsstaatsabbau in der EU. Von der Leyen erklärte in einem
Interview der «Süddeutschen Zeitung» (Montag), Strafgelder gehörten

zum Werkzeugkasten. «Wir müssen juristisch sauber arbeiten, das Recht
durchsetzen, aber nüchtern bleiben und immer den Dialog suchen»,
sagte sie.