Frankreich sieht Belastung der Nato - EU muss Interessen verteidigen

19.09.2021 12:54

Es sieht aus wie ein Streit um Rüstungsmilliarden. Aber es ist mehr.
Das Verhältnis der westlichen Bündnispartner wird durch den
Dreierpakt USA-Australien-Großbritannien empfindlich gestört.
Experten warnen vor einem atomaren Rüstungswettlauf.

Paris/Canberra (dpa) - Frankreich sieht das Scheitern seines
Milliardenvertrags über U-Boot-Verkäufe an Australien nicht nur als
geschäftlichen Rückschlag, sondern auch als Belastung der Nato und
Herausforderung der EU. Australien hatte im Zuge eines Dreierpakts
mit den USA und Großbritannien den Bau atomgetriebener U-Boote
vereinbart und dafür einen 56-Milliarden-Euro-Vertrag von 2016
aufgekündigt. Frankreich beorderte deshalb seine Botschafter aus den
USA und Australien zu Beratungen heim.

«Es gab Lügen, es gab Doppelzüngigkeit, es gab einen starken
Vertrauensbruch», sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian am Samstag
im Sender France 2. «In einer richtigen Allianz redet man miteinander
und respektiert sich. Das war nicht der Fall.» Das belaste auch das
neue strategische Konzept der Nato, das beim nächsten Gipfel 2022 in
Madrid besprochen werden sollte. Bis auf Australien gehören alle
Beteiligten zu der westlichen Allianz.

Man müsse nun auch die Stärke der Allianz mit den USA hinterfragen,
so Le Drian. Europa müsse seine Interessen nach dem Fall Afghanistans
an die Taliban und dem U-Boot-Streit besser schützen. «Wenn die
Europäer nicht merken, dass sie sich zusammentun und gemeinsam ihre
Interessen verteidigen müssen, wenn sie Teil der Geschichte bleiben
wollen, dann wird ihr Schicksal ein ganz anderes sein. Und wir können
nicht in diese schädliche Richtung gehen.»

US-Präsident Joe Biden, Australiens Regierungschef Scott Morrison und
der britische Premierminister Boris Johnson hatten eine neue Allianz
gegen sich «rasch entwickelnden Bedrohungen» verkündet, die sich
offensichtlich gegen China richtet. Dazu gehört der Schwenk
Australiens zur Beschaffung atomgetriebener U-Boote mit Hilfe der
beiden Partner. Frankreich hätte Boote geliefert, die mit Diesel und
Strom angetrieben werden.

Großbritannien verteidigte den neuen Dreierbund. «Freiheiten müssen
verteidigt werden, daher bauen wir starke Sicherheitsbeziehungen in
aller Welt auf», sagte die neue Außenministerin Liz Truss im
«Telegraph» (Sonntag). Neben Atom-U-Booten wolle man mit Australien
und den USA auch den militärischen Einsatz künstlicher Intelligenz
ausbauen. Zuvor hatte die US-Regierung deutlich gemacht, dass sie die
Spannungen mit Frankreich beilegen möchte.

Malaysia warnte am Samstag, der Rüstungspakt könne ein atomares
Wettrüsten im Indopazifik auslösen. Ministerpräsident Datuk Seri
Ismail Sabri Yaakob habe in einem Telefonat mit Morrison zudem auf
die Vereinbarung einer atomwaffenfreien Zone in Südostasien
hingewiesen, berichtete die malaysische Nachrichtenagentur Bernama.

Die Furcht vor einem Wettrüsten mit Atomwaffen ergibt sich aus dem
Umstand, dass die Kerntechnik-Infrastruktur für U-Boote nicht unter
die Kontrollen der Internationalen Atomenergieagentur IAEO fallen.
Dies könnte ausgenutzt werden, um heimlich Material für Atombomben
abzuzweigen. In 50 Jahren sei dieses Schlupfloch noch nie ausgenutzt
worden, sagte James Acton vom Friedensforschungsinstitut Carnegie
Endowment for International Peace dem Fachmagazin «Breaking Defence».
Andere Staaten könnten dem Beispiel Australiens folgen und dabei
nicht so zurückhaltend, zum Beispiel der Iran.

Experten erwarten, dass Australien für den Bau der U-Boote 10 bis 20
Jahre brauchen wird, weil das Land über keine
Atomtechnik-Infrastruktur und Atomexperten verfügt. Australien könnte
auf Technik der Jagd-U-Boote der amerikanischen Virginia-Klasse und
der britischen Astute-Klasse bauen.