Frankreichs Finanzminister will EU-Schuldenregeln lockern

16.01.2022 19:00

Berlin (dpa) - Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire plädiert vor
dem Treffen der EU-Finanzminister für eine Lockerung der europäischen
Schuldenregeln. «Die Schuldenregeln müssen sich an der Realität
orientieren, nicht an Träumen», sagte er der «Welt». Der Stabilit
äts-
und Wachstumspakt sei nicht vollkommen überholt, die Regel für die
Staatsverschuldung allerdings schon.

Seit Beginn der Corona-Pandemie ist die Schuldenlast vieler
europäischer Länder stark gestiegen. Deutschland steht mit einer
Schuldenquote von rund 70 Prozent der Wirtschaftsleistung deutlich
besser da als viele andere Länder. «Nach der Krise haben einige
Mitgliedstaaten eine Staatsverschuldung von 168 Prozent erreicht,
während andere bei etwa 60 bis 65 Prozent geblieben sind», sagte Le
Maire. Diese Kluft müsse berücksichtigt werden.

So könne man Mitgliedsstaaten etwa ermöglichen, stärker selbst zu
bestimmen, wie sie ihre Staatsverschuldung abbauen. Ein
entsprechender Vorschlag von Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni
liegt bereits auf dem Tisch. Außerdem wird überlegt, Investitionen
etwa in Klimaschutz oder Digitalisierung bei den Schuldenregeln
auszuklammern.

Auch im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP ist von einer
Weiterentwicklung der fiskalpolitischen Regeln die Rede - obwohl
Finanzminister Christian Lindner und seine FDP noch im Wahlkampf vor
einer Lockerung der Schuldenregeln warnten. Die Reform solle sich
daran orientieren, Wachstum sicherzustellen, die
Schuldentragfähigkeit zu erhalten und für nachhaltige und
klimafreundliche Investitionen zu sorgen, vereinbarte die
Ampel-Koalition. Lindner nimmt in dieser Woche erstmals am Treffen
der EU-Finanzminister in Brüssel teil.