Frankreichs linkes Lager wirbt mit Bruch von EU-Verträgen um Wähler

19.05.2022 14:40

Paris (dpa) - Vor der französischen Parlamentswahl im Juni hat das
neu formierte linke Lager ein politisches Programm vorgelegt, das den
Bruch mit grundlegenden EU-Verträgen ins Auge fasst. Der
Stabilitätspakt gegen übermäßige Staatsverschuldung und die
Defizitregeln sollten aufgehoben werden, heißt es in dem am
Donnerstag vorgelegten Grundsatzpapier des neuen Bündnisses aus
Linkspartei, Sozialisten, Grünen und Kommunisten. EU-Verträge und
Regeln sollten - falls das Linksbündnis eine Parlamentsmehrheit
erzielt - nicht mehr respektiert werden, «wenn sie im Widerspruch zu
der vom Volk legitimierten Umsetzung unseres Programms stehen».

Gefordert wird außerdem, dass die Statuten der Europäischen
Zentralbank geändert werden, damit diese Mitgliedsstaaten direkt Geld
leihen kann. Die EZB solle «unter demokratische Kontrolle» gestellt
werden und nicht bloß der Inflationskontrolle, sondern auch sozialen
und ökologischen Zielen dienen.

Innerhalb des vom Altlinken Jean-Luc Mélenchon angeführten Bündnisses

ist der EU-Kurs umstritten. Die Sozialisten befürworten eigentlich
einen proeuropäischen Kurs, Mélenchons Linkspartei ist da deutlich
kritischer. Das Bündnis sieht bei Streitpunkten die Möglichkeit
differenzierter Positionen vor.

Die Franzosen wählen ihr Parlament in zwei Wahlgängen am 12. und 19.
Juni neu. Für den im April wiedergewählten liberalen Präsidenten
Emmanuel Macron geht es darum, ob er weiterhin eine
Parlamentsmehrheit hinter sich hat. Das zuvor zersplitterte linke
Lager hat sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen, um mit
gemeinsamen Kandidaten möglichst stark im Parlament vertreten zu
sein. Im Fall einer Mehrheit könnte das Bündnis eine Ernennung
Mélenchons zum Premierminister fordern.

Zu den innenpolitischen Forderungen, die das linke Bündnis am
Donnerstag vorlegte, gehört die Anhebung des Mindestlohns von 1100
auf 1500 Euro, eine Mindestrente von 1500 Euro nach voller
Berufstätigkeit, ein Senken des Rentenalters von 62 auf 60 Jahre
sowie Investitionen in den Wohnungsbau und das Gesundheitswesen. Das
Steuersystem soll «gerechter» werden, Mieten sollen gedeckelt oder
gesenkt werden.