Lindner zu EU-Regeln: «Sucht nach Verschuldung beenden»

23.05.2022 15:58

Brüssel (dpa) - Bundesfinanzminister Christian Lindner rät den
EU-Ländern, eine von der EU-Kommission vorgeschlagene Aussetzung der
Schuldenregeln für 2023 nicht zu nutzen. «Man kann abhängig werden
von Staatsverschuldung, und wir müssen die Sucht nach immer mehr
Verschuldung beenden, so schnell wie möglich», sagte Lindner am Rande
eines Treffens der Finanz- und Wirtschaftsminister der Euroländer am
Montag. Man dürfe der Inflation nicht mehr finanziellen Raum geben.
«Wir raten dazu, möglichst keinen Gebrauch davon zu machen, im
nächsten Jahr wieder viele Schulden aufnehmen zu können.»

Die EU-Kommission schlug vor, den Stabilitäts- und Wachstumspakt erst
2024 wieder vollständig in Kraft zu setzen und verwies auf die
Unsicherheit wegen des Kriegs in der Ukraine, die Energiepreise und
Engpässe bei den Lieferketten. Die Schulden- und Defizitregeln waren
während der Corona-Krise ausgesetzt worden und sollten eigentlich ab
2023 wieder gelten. Der Vorschlag der EU-Kommission wird nun den
Mitgliedstaaten vorgelegt.

Lindner sagte, Deutschland werde von der allgemeinen Ausweichregel
des Stabilitätspakts keinen Gebrauch machen. «Deutschland wird zur
Schuldenbremse unseres Grundgesetzes im nächsten Jahr zurückkehren.»


Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sieht vor, dass EU-Länder nicht
mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung an Schulden aufnehmen.
Haushaltsdefizite sollen bei 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
gedeckelt werden. Viele Länder überschreiten diese Grenzwerte, vor
allem weil sie sich während der Pandemie viel Geld liehen, um die
Wirtschaft zu stützen.

Auch Deutschland liegt über diesen Schwellenwerten mit einem
Schuldenstand von 69 Prozent des BIP im vergangenen Jahr und einem
Defizit von 3,7 Prozent, wie aus einem Bericht der Kommission
hervorgeht.