EU-Kommission: Polens Parlamentsvotum Schritt in richtige Richtung

27.05.2022 16:27

Warschau/Brüssel (dpa) - Im Justizstreit mit Polen hat die
EU-Kommission die im polnischen Parlament angestoßene Abschaffung der
umstrittenen Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof als «positiven
Schritt» in die richtige Richtung bezeichnet. Es komme aber auf den
Umfang und die Inhalte der am Ende verabschiedeten Rechtsvorschriften
an, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde am Freitag. Diese
müssten zwingend mit EU-Recht vereinbar sein und die Bedenken des
EuGH aufgreifen. Die Änderungen sind Voraussetzung zur Freigabe von

milliardenschweren Corona-Hilfen der EU.

Das Unterhaus des polnischen Parlaments, der Sejm, hatte zuvor am
Donnerstag beschlossen, die Disziplinarkammer abzuschaffen. Die
Kammer, die jeden Richter oder Staatsanwalt bestrafen und entlassen
kann, steht im Zentrum des Streits zwischen Warschaus und Brüssel
über eine seit langem kritisierte Justizreform in Polen - sie soll
nun durch ein neues Gremium ersetzt werden. Der dazu vom polnischen
Präsidenten Andrzej Duda eingebrachte Gesetzentwurf muss nach der
Zustimmung des Sejm nun noch vom Senat verabschiedet werden. 

Die EU-Kommission hatte die Auflösung der Disziplinarkammer zu einer
Voraussetzung für die Freigabe europäischer Corona-Hilfsgelder in
Milliardenhöhe gemacht. Nach Ansicht der Brüsseler Behörde steht das

Gremium im Widerspruch zu den gemeinsamen Rechtsstaatsprinzipien. Für
die Zahlungen aus dem Europäischen Wiederaufbaufonds müsse Polen
die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) geforderte Unabhängigkeit der

Justiz wiederherstellen.

In Warschau zeigten sich führende Politiker zuversichtlich, dass mit
dem Parlamentsvotum die Bedingungen der EU erfüllt sind und der
Auszahlung der Corona-Hilfen nichts mehr im Weg steht. Regierungschef
Mateusz Morawiecki kündigte am Donnerstag vor dem Sejm an,
dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dazu am 2. Juni
nach Warschau reisen werde.