Kreml kritisiert Selenskyjs Forderung nach Reisebann für Russen

09.08.2022 15:13

Moskau (dpa) - Die ukrainische Forderung nach einem internationalen
Reisebann für alle Russen hat in Moskau heftige Kritik ausgelöst. Die
Aussagen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj seien
«äußerst negativ» aufgenommen worden, sagte Kremlsprecher Dmitri
Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge. «Die Irrationalität

des Gedankengangs übersteigt jedes Maß», kritisierte er.

Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew beschimpfte Selenskyj
auf Twitter als «größten ukrainischen Clown» - und verglich ihn sog
ar
mit NS-Diktator Adolf Hitler. Medwedew fällt seit Beginn des
russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine immer wieder mit
abfälligen Bemerkungen über das Nachbarland auf. So stellte er in der
Vergangenheit etwa das Fortbestehen der Ukraine als souveränen Staat
infrage. Immer wieder rechtfertigt Moskau seinen schon seit fast
einem halben Jahr dauernden Angriffskrieg mit einer angeblichen
«Befreiung» des Nachbarlands von Nationalisten - was auch deshalb für

besondere Empörung sorgt, weil Selenskyj jüdischer Abstammung ist.

Mit Blick auf russische Besatzungsverwaltungen in eroberten
ukrainischen Gebieten hatte Selenskyj der US-Zeitung «Washington
Post» am Montag in einem Interview gesagt: «Die wichtigsten
Sanktionen sind es, die Grenzen zu schließen, denn die Russen nehmen
anderen ihr Land weg.» In der EU wird ein Erschweren oder eine
völlige Einstellung der Vergabe von Touristenvisa an Russen
diskutiert. Die baltischen Staaten etwa vergeben bereits jetzt nur
noch in Ausnahmen Visa an russische Staatsbürger. Finnland erwägt
ebenfalls eine Verschärfung der Regelungen, fordert aber eine Lösung
für den ganzen Schengen-Raum.

Eine Sprecherin der EU-Kommission betonte am Dienstag, dass die
EU-Staaten in ihrem nationalen Recht großen Spielraum hätten, die
Vergabe von Langzeitvisa einzuschränken oder auszusetzen. Der
Visakodex für den Schengen-Raum sehe jedoch nicht die Möglichkeit
vor, die Vergaben von Kurzzeitvisa komplett einzustellen. Es werde
immer Kategorien von Menschen geben, denen ein Visum gewährt werden
müsse, etwa in humanitären Fällen oder wenn die Antragsteller
Journalisten, Familienmitglieder oder Dissidenten seien.