Politikwissenschaftler: Italien-Wahl beschert EU schwierige Zeiten

27.09.2022 03:35

Mainz (dpa/lrs) - Nach dem Wahlsieg von Giorgia Meloni und deren
rechtsradikaler Partei Fratelli d'Italia muss sich die EU nach
Meinung des Politikwissenschaftlers Kai Arzheimer auf schwierige
Zeiten einstellen. «Es wird mit Sicherheit problematischer, weil
Italien eine große Volkswirtschaft ist. Es wird eher wieder so
schwierig wie zu den Regierungszeiten von Silvio Berlusconi», sagte
der Experte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz der Deutschen
Presse-Agentur. Die Fratelli d'Italia hatten sich bei der Wahl in
Italien am Sonntag mit der rechtspopulistischen Lega und der
konservativen Forza Italia die Mehrheit im Parlament gesichert.

Eine Regierung Meloni könnte striktere EU-Maßnahmen gegen Polen und
Ungarn verhindern, sagte Arzheimer. «Und Italien würde noch weniger
einer europäischen Verteilung von Flüchtlingen zustimmen.» Mit dem
Begriff Rechtsruck wäre er vorsichtig, sagte Arzheimer. «Es ist eher
eine Verschiebung zwischen diesen drei rechten Parteien. Das Gewicht
zwischen der Lega von Matteo Salvini und der Fratelli d'Italia hat
sich verschoben. Das ist nicht undramatisch, aber auch nicht sehr
neu. Meloni ist aber sicher Vertreterin einer Partei, die noch einmal
härter auftritt als Berlusconi.»

Zu Vorwürfen an Fratelli d'Italia, die Partei sei im Faschismus
verwurzelt, sagte Arzheimer, Meloni versuche sicherlich, die
Traditionalisten in der Partei und unter den Wählern nicht zu
verprellen. «Andererseits will sie den Bezug zur Vergangenheit nicht
zu stark werden lassen, weil der Faschismus auch in Italien nicht
mehrheitsfähig ist. Meloni versucht, für ein breiteres Publikum
wählbar zu sein.»

Die möglicherweise erste Ministerpräsidentin in der Geschichte
Italiens vertrete radikale Positionen, vor allem im Bereich der
Zuwanderung. «Im EU-Bereich hat sie aber schon deutlich Abstriche
gemacht. So würde es in Italien ganz sicher keine Begeisterung
auslösen, wenn sie etwa einen EU-Beitritt anstreben würde», betonte
der Politikwissenschaftler.