EZB-Chefvolkswirt Lane warnt vor Lohn-Preis-Spirale

27.09.2022 09:20

Frankfurt/Main (dpa) - EZB-Chefvolkswirt Philip R. Lane warnt vor zu
hohen Lohnabschlüssen als Reaktion auf die extrem gestiegene
Inflation. «Die hohe Inflation wird ihren Niederschlag in höheren
Löhnen finden müssen. Aber es braucht ein Gleichgewicht», sagte Lane

der österreichischen Tageszeitung «Der Standard» in einem am Dienstag

veröffentlichten Interview. «Die Löhne werden stärker steigen als i
n
den vergangenen Jahren. Aber der Versuch, die Arbeitnehmer durch
höhere Einkommen voll und ganz vor der Inflation zu bewahren, würde
die Kosten der Unternehmen deutlich in die Höhe treiben und zu
Zweitrundeneffekten führen.»

Unter Zweitrundeneffekten versteht man eine Lohn-Preis-Spirale:
Steigen Löhne als Reaktion auf hohe Inflation zu stark, könnte das
die Preise weiter nach oben treiben. «Um zu einer niedrigeren
Inflation zurückzukehren, ist die Erkenntnis notwendig, dass die
Rentabilität der Unternehmen eine Zeit lang sinken wird und dass die
Löhne auch eine Zeit lang nicht ganz mit der Inflation Schritt halten
können», sagte Lane. Hohe Teuerungsraten mindern die Kaufkraft von
Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Vor allem stark gestiegene Energiepreise und Lieferengpässe heizen
seit Monaten die Teuerung an. Die Europäische Zentralbank (EZB)
versucht, mit höheren Zinsen gegenzusteuern. Die Notenbank strebt für
den Euroraum mittelfristig stabile Preise bei einer Inflationsrate
von zwei Prozent an. Im August lagen die Verbraucherpreise im
Währungsraum um 9,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats.

Die EZB erwarte, «dass die Inflation 2023 deutlich und 2024 weiter
zurückgehen wird», bekräftigte Lane. Der Rückgang der Inflation wer
de
größtenteils daher kommen, dass sich die Energiepreise stabilisierten
und Lieferengpässe nachließen. «Und die Löhne werden im Laufe der
Zeit in gewissem Maße aufholen, so dass sich der Lebensstandard der
Menschen wieder verbessern wird», sagte der EZB-Chefvolkswirt.