EU-Kommission betont Sicherheitsrisiken bei Visa-Vergabe an Russen

30.09.2022 15:32

Brüssel (dpa) - Im Umgang mit russischen Kriegsdienstverweigerern und
anderen Russen, die in die Europäische Union einreisen wollen, rückt

die EU-Kommission mögliche Sicherheitsrisiken in den Fokus. Vor
diesem Hintergrund empfahl die Brüsseler Behörde den EU-Staaten am
Freitag, ihre Visa-Vergabe weiter einzuschränken. «Wir befinden uns
in einer ernsten Situation, was die Bedrohung der Sicherheit angeht»,
sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Sie verwies etwa auf die
russische Teilmobilisierung, die Annexion ukrainischer Gebiete und
Moskaus jüngste Drohungen.

Wie von den EU-Staaten gefordert, legte die Schwedin aktualisierte
Leitlinien für die Visa-Vergabe an Russen vor. Johansson zufolge
sollten die EU-Staaten mögliche Sicherheitsrisiken bei der
Visa-Vergabe an Russen noch gründlicher prüfen als bisher. Wegen der
Teilmobilisierung würden viele Russen das Land verlassen. Falls ein
Russe länger als 90 Tage in der EU bleiben wolle, solle ihm das
Schengen-Visum verwehrt bleiben. Dieser könne sich stattdessen für
ein Langzeitvisum oder eine Aufenthaltsgenehmigung bewerben. Zudem
solle es für Russen nicht mehr möglich sein, in einem Nachbarland
Russlands wie Georgien ein Kurzzeitvisum zu beantragen.

Für Dissidenten oder Journalisten solle es derlei Einschränkungen
nicht geben. Auch solle das Recht, einen Asylantrag zu stellen, nicht
eingeschränkt werden. Zudem betonte Johansson, dass bestehende Visa
auch bei einer möglichen Bedrohung noch aufgehoben werden können.

Nachdem Russland vergangene Woche eine Teilmobilisierung im Krieg
gegen die Ukraine angekündigt hatte, ist in der EU eine Debatte
darüber ausgebrochen, ob Kriegsdienstverweigerer aufgenommen werden
sollten. Zwar dringen die EU-Staaten auf eine einheitliche Linie,
ihre Positionen liegen zum Teil jedoch weit auseinander. Die
Bundesregierung stellte Deserteuren Asyl in Aussicht. Die baltischen
Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie Polen und die Slowakei
lehnen deren Aufnahme beispielsweise ab und verweisen sowohl auf
sicherheitspolitische als auch auf moralische Gründe.

Schon jetzt halten die baltischen Staaten und Polen ihre Grenzen für
Russen mit Schengen-Visum für touristische Aufenthalte, Sport- und
Kulturveranstaltungen für sowie Geschäftsreisen geschlossen. Finnland
führte in der Nacht zum Freitag eine ähnliche Regel ein.

Nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur Frontex ist die Zahl der
Russen, die vergangenen Woche in die EU gekommen sind, im
Wochenvergleich um 30 Prozent auf 66 000 gestiegen. Die meisten von
ihnen seien über Finnland und Estland eingereist.