EU will Energiegewinne abschöpfen - Gassteuer in Deutschland sinkt

30.09.2022 17:09

Bei den Verbrauchern sitzt der Schock aufgrund hoher Energiepreise
tief. Nun versuchen Politiker auf EU- und Bundesebene mit zwei
Maßnahmen unter vielen gegenzulenken. Die einen blicken eher
skeptisch darauf. Die anderen zeigen sich zufrieden.

Berlin (dpa) - Die Bemühungen um niedrigere Energiepreise nehmen in
Deutschland und Europa Gestalt an. Der Bundestag beschloss am
Freitag, die Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme zu senken, während
EU-Minister in Brüssel vereinbarten, Gewinne von Energieunternehmen
abzuschöpfen.

Seit Wochen hatten die Mitgliedstaaten nach einer Lösung gesucht, die
stark gestiegenen Energiepreise abzudämpfen. Mit den beschlossenen
Maßnahmen soll auch Strom gespart werden. Konkret werden
Energieunternehmen verpflichtet, einen Teil ihrer Krisengewinne an
den jeweiligen Staat abzugeben, wie die tschechische
Ratspräsidentschaft mitteilte. Damit sollen die Verbraucher entlastet
werden. Der Beschluss muss noch formell bestätigt werden.

Der deutsche Branchenverband BDEW äußerte sich skeptisch zur
Gewinnabschöpfung, denn Stromerzeuger könnten auf langfristige
Verträge verzichten. «Auch wenn die Erlösobergrenze kein direkter
Eingriff in die Marktmechanismen ist, wirkt sich diese
Notfallmaßnahme natürlich auf den Markt aus», sagte BDEW-Chefin
Kerstin Andreae.

Die Minister wollten auch über einen EU-weiten Gaspreisdeckel
diskutieren, wie ihn mehr als die Hälfte der Staaten gefordert hat.
Damit gäbe es einen Maximalpreis für Gas im europäischen Großhandel

und für Importe. Dazu sollte es aber noch keinen Beschluss geben.
Deutschland hatte den Vorschlag von Italien, Frankreich, Belgien und
anderen Ländern nicht unterstützt und mit der Versorgungssicherheit
argumentiert. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warnte, es
dürfe nicht zu wenig Gas nach Europa kommen.

Von Italien gab es unterdessen Kritik am 200 Milliarden Euro schweren
Hilfspaket, das die Bundesregierung zur Abfederung der Energiepreise
plant. «Angesichts der gemeinsamen Bedrohungen unserer Zeit können
wir uns nicht aufteilen je nach Möglichkeiten unserer Haushalte»,
argumentierte Ministerpräsident Mario Draghi.

Habeck dämpfte die Erwartungen an die Milliardenhilfen, die unter
anderem Verbrauchern zugutekommen sollen. Die Preise von 2021 werde
es nicht geben, sagte er im Deutschlandfunk. Man könne sie nicht auf
dieses Niveau heruntersubventionieren. «Auch nicht mit diesen
gigantischen 200 Milliarden Euro.»

Der Bundestag beschloss unterdessen, die Mehrwertsteuer auf Gas und
Fernwärme bis Ende März 2024 von 19 auf 7 Prozent zu senken.
Ursprünglich war die Steuersenkung im Zuge der umstrittenen Gasumlage
auf die Agenda gesetzt worden. Mit der Umlage sollten strauchelnde
Gasimporteure gestützt werden, die unter fehlenden Lieferungen aus
Russland leiden und sich das Gas jetzt vergleichsweise teuer auf dem
Markt kaufen müssen. Die Umlage wurde jedoch kurz vor dem geplanten
Start am Samstag gekippt.

Auch wenn Deutschlands Gasspeicher mit 91,3 Prozent vergleichsweise
gut gefüllt sind, sieht der Betreiberverband kein Grund zum
Verschnaufen und fordert Verbraucher zum Sparen auf. «Aufgrund der
weiterhin stark reduzierten Importmöglichkeiten für Gas muss davon
ausgegangen werden, dass die Gasspeicher im Winter bereits früher als
sonst und deutlich stärker zur Versorgung eingesetzt werden», sagte
der Geschäftsführer des Verbandes Initiative Energien Speichern
(Ines), Sebastian Bleschke.