Waffenruhe im Jemen läuft ohne Verlängerung aus

03.10.2022 18:31

Keine größeren Militäreinsätze und weniger zivile Opfer - das waren

einige Erfolge der monatelangen Waffenruhe im Jemen. Verlängert wird
diese jetzt aber nicht mehr, und im Land droht eine neue Runde der
Gewalt. Hilfsorganisationen sprechen von «schrecklichen Nachrichten».

Sanaa (dpa) - Die Waffenruhe im Jemen ist ein halbes Jahr nach ihrem
Beginn ohne erneute Verlängerung ausgelaufen. Verhandlungen darüber
seien vorerst gescheitert, teilte der UN-Sonderbeauftragte für den
Jemen, Hans Grundberg, am Sonntagabend mit. Das Scheitern der
Gespräche sei enttäuschend. Die Hilfsorganisation Oxfam sprach
von «schrecklichen Nachrichten» für die Menschen im Land, wo seit
Jahren ein Bürgerkrieg tobt mit inzwischen Zehntausenden Toten.

«Ich werde meine unablässigen Bemühungen fortsetzen, mit den Parteien

auf eine rasche Einigung über den Weg vorwärts hinzuarbeiten», teilte

Grundberg nach Ablauf der Waffenruhe mit. Noch am Abend gab es teils
Berichte über Gefechte in mehreren Provinzen. Berichte über Verstöß
e
gegen die Feuerpause hatte es in vergangenen Monaten allerdings immer
wieder gegeben. Die EU zeigte sich in einer Stellungnahme enttäuscht,
dass keine Lösung gefunden wurde.

Im Jemen kämpft ein von Saudi-Arabien geführtes Militärbündnis auf

Seite der Regierung gegen die Huthi-Rebellen. Saudi-Arabien sieht in
ihnen einen verlängerten Arm seines Erzfeindes Iran. Die Waffenruhe
trat Anfang April für zunächst zwei Monate in Kraft und wurde seitdem
zweimal verlängert. Damit ging die Gewalt zurück und es gab weniger
zivile Opfer. Nach UN-Angaben gab es keine Luftangriffe, größere
Militäreinsätze oder Angriffe aus dem Jemen nach Saudi-Arabien.

Die Organisation Care sprach von einer «extrem traurigen» Entwicklu
ng
für die Bevölkerung und humanitäre Helfer. Der Norwegische
Flüchtlingsrat (NRC) nannte die Nachricht «zutiefst enttäuschend».

Oxfam teilte mit: «Millionen sind jetzt gefährdet, wenn
Bombardements, Beschuss am Boden und Raketenangriffe weitergehen.»

Grundberg hatte versucht, diesmal eine Verlängerung um sechs statt
nur zwei Monate zu erreichen und diese an zusätzliche Bedingungen zu
knüpfen. Unter anderem geht es um die Öffnung wichtiger Straßen in

Tais im Südwesten, um Mittel zur militärischen Deeskalation und um
die Freilassung von Gefangenen. Die Hoffnung war auch, die Feuerpause
in einen dauerhaften Waffenstillstand zu verwandeln.

In der Provinz Marib kam es zu neuen Gefechten, erfuhr die Deutsche
Presse-Agentur aus Militärkreisen. In Dali hätten die Huthis
Stellungen der Regierung mit Artillerie angegriffen. Die Rebellen
hatten Vorschläge über eine Verlängerung der Waffenruhe am Sonntag

abgelehnt, weil diese «keinen Friedensprozess» einleiteten. Die
Regierung hatte am Samstag erklärt, den Vorschlag erhalten zu haben
und diesen «positiv behandeln» zu wollen.

Schon vor Wochen hatte die Gewalt im Land teils zugenommen. Die
gescheiterten Versuche, einen dauerhaften Waffenstillstand zu
erreichen, seien möglicherweise «nur eine Vorspiel zu einer brutalen

neuen Runde militärischer Konfrontation», schrieb Experte Ahmed Nagi
vom Thinktank Carnegie schon im August.

Die Rebellen drohten, auch Öl-Infrastruktur im benachbarten
Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten anzugreifen.
Die dort angesiedelten Öl-Unternehmen hätten jetzt die Chance, diese
Länder zu verlassen, teilte Huthi-Militärsprecher Jahja Sari mit. Die
Rebellen haben in Saudi-Arabien zuvor immer wieder mit Drohnen und
Raketen angegriffen. Im Februar griffen sie eine Öl-Anlage in der
emiratischen Hauptstadt Abu Dhabi an.