EU-Krisentreffen: Frankreich bleibt im Streit um Flüchtlinge hart

25.11.2022 22:14

Über das Mittelmeer kommen wieder deutlich mehr Migranten in die
Europäische Union. Nach einem heftigen Streit zwischen Italien und
Frankreich gab es jetzt ein Krisentreffen in Brüssel - allerdings
ohne die zuständige Ministerin aus Deutschland.

Brüssel (dpa) - Im europäischen Streit über die Aufnahme von
Bootsflüchtlingen bleibt Frankreich bei seinem harten Kurs gegenüber
der neuen rechten Regierung in Rom. Innenminister Gérald Darmanin
bekräftigte am Freitagabend nach einem EU-Krisentreffen in Brüssel,
dass sein Land Italien erst dann wieder Flüchtlinge abnehmen will,
wenn dieses nicht mehr dafür sorgt, dass Rettungsschiffe von
Hilfsorganisationen nach Frankreich fahren. «Wir müssen aus einer
Situation herauskommen, in der dieselben Staaten aufgerufen sind,
Schiffe aufzunehmen und Umsiedlungen aus anderen Mitgliedstaaten
durchzuführen», erklärte Darmanin.

Der Franzose spielte damit darauf an, dass Italien jüngst dem
Rettungsschiff «Ocean Viking» die Einfahrt in einen Hafen verweigert
hatte, worauf dieses mit mehr als 200 Migranten an Bord nach
Frankreich fahren musste. Die Regierung in Paris war darüber empört
und verwies darauf, dass Rettungsschiffe eigentlich ein Recht darauf
hätten, in den nächstgelegenen Hafen zu fahren.

Italien kritisiert hingegen mangelnde Solidarität anderer EU-Staaten
bei der Aufnahme von Flüchtlingen und fordert mehr Unterstützung.
Zudem wird den Besatzungen von Rettungsschiffen vorgeworfen, mit
ihrem Einsatz im Mittelmeer das Geschäft von Schleuserbanden zu
fördern. Diese brachten zuletzt vor allem Menschen aus Tunesien,
Ägypten und Bangladesch auf den lebensgefährlichen Weg in Richtung
EU.

Der derzeitige tschechische EU-Ratsvorsitz wertete das Krisentreffen
in Brüssel trotz der Meinungsverschiedenheiten unter den EU-Staaten
als Erfolg. So wurde nach Angaben von Innenminister Vit Rakusan ein
neuer Aktionsplan der EU-Kommission willkommen geheißen. Er sieht
insbesondere vor, die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und
Durchreiseländern zu intensivieren und in Nordafrika ein neues
Programm gegen Menschenschmuggel zu starten. Für den Einsatz von
privaten Seenotrettungsschiffen, die immer wieder Hunderte Migranten
in europäische Häfen bringen, könnte es demnach einen speziellen
Rahmen und Richtlinien der Internationalen
Seeschifffahrts-Organisation geben.

Zudem soll der freiwillig von rund 20 EU-Staaten unterstützte
Solidaritätsmechanismus besser genutzt werden. Er wurde im Juni ins
Leben gerufen, um Länder zu unterstützen, in denen viele
Bootsflüchtlinge ankommen. Deutschland hatte sich bereit erklärt,
über den Solidaritätsmechanismus binnen eines Jahres 3500
Asylsuchende aufzunehmen. Bislang geht es mit dem neuen Verfahren
allerdings eher schleppend voran.

Nach Angaben des Innenministeriums in Rom kamen in Italien seit
Anfang des Jahres bereits mehr als 94 000 Migranten an. Im Vergleich
zum Vorjahreszeitraum stieg die Zahl damit um etwa 53 Prozent. Die
zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson hatte die Situation zuletzt
als nicht haltbar beschrieben und dabei auch darauf verwiesen, dass
nur die wenigsten Ankommenden wegen politischer Verfolgung ihre
Heimat verlassen. «Wir müssen bedenken, dass eine deutliche Mehrheit
der Menschen, die heute über diese zentrale Mittelmeerroute ankommen,
keinen internationalen Schutz braucht», sagte Johansson. Viele dieser
Menschen wollten in der EU vor allem Geld verdienen.

Für Deutschland nahm Staatssekretär Bernd Krösser an dem Treffen in
Brüssel teil. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte am
Donnerstag im Bundestag, Deutschland habe derzeit «keine große
Migrationskrise».

In der Vergangenheit hatte die Bundesregierung in Brüssel auch immer
wieder darauf verwiesen, dass in Deutschland in der Regel monatlich
deutlich mehr Asylanträge gestellt werden als in Italien. So wurden
nach Angaben des EU-Statistikamts Eurostat vom Freitag im August in
der Bundesrepublik knapp 17 000 Antragsteller registriert und in
Italien nur rund 6000.

Konkrete politische Entscheidungen zum Umgang mit dem neuen Anstieg
der Migrationszahlen werden frühestens beim nächsten regulären
Innenministertreffen am 8. Dezember erwartet. Bis dahin will die
EU-Kommission auch einen Aktionsplan zu den ebenfalls steigenden
Zahlen von Menschen vorlegen, die über die Länder des westlichen
Balkans in die EU kommen.