EVP-Chef Weber fordert Kurswechsel bei EU-Migrationspolitik

29.01.2023 01:01

Berlin (dpa) - Der Chef Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred
Weber, hat grundlegende Korrekturen in der Flüchtlingspolitik
gefordert. «Die EU-Staaten schlafwandeln in eine neue, große
Migrationskrise hinein», sagte der stellvertretende CSU-Vorsitzende
den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag). «Die Kommunen ächzen,
die Aufnahmekapazitäten für Migranten über die Mittelmeerrouten sind

ausgereizt.» Vor dem EU-Sondergipfel zur Migration am 9. und 10.
Februar schlug Weber Zäune an den Außengrenzen, Asylanträge außerha
lb
der EU und eine Neuauflage der europäischen Seenotrettung vor.

«Zäune sind immer das letzte Mittel, aber wir brauchen sie überall
dort, wo Schlepperbanden erfolgreich versuchen, europäisches Recht zu
umgehen», sagte Weber. «Wenn es technisch nicht anders möglich ist,
illegale Migration zu verhindern, dann müssen Zäune denkbar sein.»
Als Beispiele nannte er die EU-Ostgrenze, die Mittelmeer-Region und
die Grenze Bulgariens und Griechenlands zur Türkei.

Weber verlangt ferner «substanzielle Änderungen bei den
Asylverfahren». Diese müssten nicht zwingend in der EU stattfinden.
«An den EU-Außengrenzen muss es wenigstens einen Schnellcheck geben,
wer Aussicht auf Asyl hat», schlug er vor. Wenn Migranten aus
sicheren Drittstaaten wie der Türkei einreisten, dann könnten erste
Verfahrensschritte auch dort auf fremdem Staatsgebiet stattfinden.
Weber schlug EU-Büros etwa in Tunesien oder Ägypten vor, in denen
Menschen aus Afrika Asyl in Europa beantragen können.

Auch bei der Seenotrettung dringt Weber auf Änderungen. Bei aller
Wertschätzung für das Engagement der Zivilgesellschaft - die
Seenotrettung sei auch im Mittelmeer eine hoheitliche Aufgabe des
Staates. «Wir müssen deshalb die Neuauflage einer EU-Mission im
Mittelmeer prüfen», forderte Weber und betonte: «Wir wollen Leben
retten, aber wir dürfen das nicht privatisieren.»

Jetzt müssten alle Regierungschefs liefern, Deutschland und
Österreich als wichtige Aufnahmeländer eingeschlossen, verlangte
Weber vom nächsten EU-Gipfel. «Das wäre auch mit Blick auf die
Europawahl 2024 wichtig, um rechten Agitatoren die Munition zu
nehmen.»

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz forderte für Deutschland eine
stärkere Steuerung der Migration. «Bei der Zuwanderung müssen wir
klar unterscheiden: Wen brauchen wir? Und wer braucht uns?», sagte
Merz der «Bild am Sonntag». Das Asylrecht gelte. «Wer keinen Anspruch

auf Asyl hat, muss das Land auch wieder verlassen. Unser Leitmotiv
ist: Humanität und Ordnung. Das sind zwei Seiten einer Medaille.»
Dagegen brauche Deutschland mehr Zuwanderung in den Arbeitsmarkt,
betonte der CDU-Chef. «Die muss gut organisiert sein und
selbstverständlich mit einer aufrichtigen
Willkommenskultur verbunden sein.»