, Reaktion EU-Kommission im letzter Absatz) Scholz verteidigt deutsche Position im Verbrenner-Streit Von Michel Winde, Michael Fischer, Marek Majewsky, dpa

23.03.2023 16:47

Eigentlich sollte das Verbrenner-Aus ab 2035 in der EU längst
beschlossen sein. Doch die Bundesregierung stellte im letzten Moment
Nachforderungen. Beim EU-Gipfel in Brüssel muss Kanzler Scholz sich
rechtfertigen.

Brüssel (dpa) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Blockade der
Bundesregierung im Streit über Autos mit Verbrennungsmotor gegen
Kritik europäischer Partner verteidigt. «Es gibt eine klare
Verständigung in Europa», sagte der SPD-Politiker am Donnerstag bei
einem EU-Gipfel in Brüssel. Dazu gehöre, dass die EU-Kommission einen
Vorschlag mache, wie auch nach 2035 ausschließlich mit klimaneutralen
E-Fuels betriebene Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zugelassen werden
können. «Das ist schon Konsens.»

Wer anderen Regierungschefs zuhörte, merkte jedoch schnell: Das
deutsche Vorgehen sorgt bei einigen Partnern mindestens für
Irritation, eher für Verärgerung. Denn zuletzt hatte vor allem die
FDP dafür gesorgt, dass ein wichtiges Klimaschutzgesetz in der EU
nicht verabschiedet werden konnte, wonach ab 2035 nur noch
emissionsfreie Neuwagen in der EU zugelassen werden dürfen.

Am deutlichsten wurde der lettische Ministerpräsident Krisjanis
Karins. Er sprach mit Blick auf das deutsche Vorgehen von einem
«sehr, sehr schwierigen Zeichen für die Zukunft». Es sei
verwunderlich, dass eine Regierung sich plötzlich anders entscheide,
nachdem eine Vereinbarung bereits getroffen worden sei. Karins
warnte: «Die gesamte Architektur der Entscheidungsfindung würde
auseinanderfallen, wenn wir das alle tun würden.» Hinter
vorgehaltener Hand äußern sich Diplomaten in Brüssel deutlicher. Sie

werfen Deutschland etwa einen Vertrauensbruch vor.

Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel reagierte am Donnerstag
nur noch genervt auf die Debatte. Natürlich könne man beim Gipfel
über alles reden. Aber eigentlich stehe das Thema nicht auf der
Tagesordnung. «Es ist ja kein Wunschkonzert, wenn wir nach Brüssel
kommen.» Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs solle
nicht für alles zuständig sein, sondern Impulse geben. Für alles
andere, so Bettel, gebe es Ministerräte. Und die Präsidentin des
Europaparlaments, Roberta Metsola, kritisierte die Bundesregierung
mit dem Verweis, dass man keine Abmachung rückgängig machen könne.

Was war passiert, dass Kanzler Scholz sich vor der versammelten
europäischen Öffentlichkeit eine Standpauke wie die von Karins
anhören musste? Noch dazu bei einem EU-Gipfel, bei dem es eigentlich
um die weitere Unterstützung für die Ukraine, den Austausch mit
UN-Generalsekretär António Guterres und Europas Wirtschaft ging?

Es geht um die Zukunft des Autos, wie wir es seit Jahrzehnten kennen
- mit einem Verbrennungsmotor, der Diesel oder Benzin tankt und CO2
ausstößt. Eigentlich hatten sich Unterhändler der EU-Staaten und des

Europaparlaments schon im Herbst auf ein weitgehendes Verbrenner-Aus
ab 2035 geeinigt. Deutschland handelte jedoch einen Zusatz in das
Abkommen, wonach die EU-Kommission einen Vorschlag vorlegen soll, wie
nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden können, die ausschließlich mit
CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden. Damit sind sogenannten
E-Fuels gemeint, also künstliche Kraftstoffe, die mit Ökostrom
erzeugt werden und klimaneutral sind.

In der EU-Kommission las man den entsprechenden Absatz stets so, dass
davon Sonderfahrzeuge wie Kranken- oder Feuerwehrwagen betroffen sein
sollen. Nach Berliner Lesart soll die E-Fuel-Ausnahme dagegen für
alle Fahrzeuge gelten.

Vor allem die FDP will, dass auch nach 2035 noch Verbrenner
zugelassen werden dürfen, die ausschließlich E-Fuels tanken.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zog deshalb Anfang März
kurz vor der geplanten endgültigen Abstimmung die deutsche Zustimmung
zurück und fordert seitdem immer wieder, eine «rechtssichere
Vereinbarung mit der EU-Kommission» für eine «technologieoffene»
Lösung. Genau darüber verhandeln Wissings Fachleute derzeit mit der
EU-Kommission - auch parallel zum Gipfel.

In Brüssel befürchten viele längst, dass das gesamte Gesetz zum
Verbrenner kippen könnte. Denn mittlerweile haben sich andere Länder
der deutschen Haltung angeschlossen. Italien etwa, wo inzwischen die
rechte Regierung von Giorgia Meloni regiert. Oder Österreich. Kanzler
Nehammer sagte am Donnerstag, aus seiner Sicht sei wichtig, den
Entwicklungsstandort Europa weiterzuentwickeln und nicht zu
gefährden. «E-Fuels und der grüne Verbrenner sind dazu der Weg. Das
muss jetzt einmal gepusht werden.»

Scholz gab sich dagegen demonstrativ gelassen. Die Gespräche zwischen
dem Verkehrsministerium und der EU-Kommission seien auf einem guten
Weg. Fehler sieht er bei seiner Regierung nicht. Stattdessen verweist
er auf den nun eingeforderten Vorschlag der EU-Kommission zu E-Fuels:
Es sei «immer richtig, sich an die eigenen Zusagen zu halten».

Die EU-Kommission konterte prompt: Man habe zu keinem Zeitpunkt einen
Vorschlag vor der endgültigen Abstimmung versprochen, erfuhr die
Deutsche Presse-Agentur aus der Behörde. Vielmehr sei bei einem
Treffen der EU-Botschafter im November eine Erklärung verlesen
worden, in der es hieß: «Nachdem die Verordnung durch das Europäische

Parlament und den Rat endgültig angenommen wurde, wird die Kommission
den potenziellen Beitrag von CO2-neutralen Kraftstoffen zur
Erreichung einer klimaneutralen Mobilität prüfen.»