Beratungen zu EU-Asylreform: Binnengrenzkontrollen als letztes Mittel

24.03.2023 12:44

Binnengrenzkontrollen sind in der EU die Ausnahme. Damit das so
bleiben kann, sind aus Sicht von Bundesinnenministerin Faeser
Fortschritte bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
notwendig. Das sehen auch einige ihrer Amtskollegen so.

Berlin (dpa) - Sollte es bis zum Sommer keine Einigung über eine
bessere Registrierung und Verteilung von Asylbewerbern in Europa
geben, sehen Innenminister die Freizügigkeit im Schengen-Raum in
Gefahr. Das Zeitfenster für eine umfassende Reform des Gemeinsamen
Europäischen Asylsystems (GEAS) schließe sich im Sommer, sagte
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Freitag in Berlin nach
einem Treffen mit Innenministern und Staatssekretären aus fünf
weiteren EU-Staaten. Bis dahin müssten sich die EU-Mitgliedstaaten
einigen, damit anschließend noch Zeit für die Verhandlungen mit dem
Parlament sei. Sollte eine Einigung nicht gelingen, «dann ist der
Schengen-Raum mit offenen Binnengrenzen in großer Gefahr», warnte
sie. Das müssten sich alle im Europäischen Parlament und im Rat
bewusst machen.

Auch Schweden sehe dieses Risiko, «aber keiner will, dass es so weit
kommt», sagte der schwedische Staatssekretär im Justiz- und
Innenministerium, Anders Hall. Schweden hat aktuell die
EU-Ratspräsidentschaft inne und übergibt den Staffelstab am 1. Juli
an Spanien.

Binnengrenzkontrollen müssten die Ausnahme bleiben, betonte der
spanische Innenminister Fernando Grande-Marlaska. Für Spanien sei die
Freizügigkeit im Schengen-Raum ein wichtiger Pfeiler der Europäischen
Union.

Zeitdruck entsteht durch die im Frühjahr 2024 anstehende Europawahl.
«Wir müssen darauf achten, dass wir auch die irreguläre Migration
begrenzen», sagte Faeser, die zu dem Treffen auch Vertreterinnen und
Vertreter aus Italien, Frankreich und Belgien eingeladen hatte. Der
italienische Innenminister Matteo Piantedosi nahm per Videokonferenz
teil. «Es geht um ein Gesamtsystem aus Verantwortung auf der einen
Seite und Solidarität auf der anderen Seite», betonte Faeser.

Konkret geht es darum, dass Schutzsuchende in den EU-Staaten, in
denen sie zuerst ankommen, verlässlich registriert werden.
Idealerweise soll dort künftig auch schon geschaut werden, ob jemand
überhaupt Aussicht auf eine Anerkennung als Flüchtling hat. Staaten
mit EU-Außengrenzen wie Italien oder Malta sind dazu jedoch bislang
nicht bereit. Sie pochen darauf, dass erst die Verteilung der
Asylbewerber innerhalb Europas besser geregelt werden müsse.

Bislang gibt es lediglich die freiwillige Übernahme weniger
Asylbewerber durch einige Staaten - vor allem Deutschland. Faeser
sagte, Deutschland habe über den Solidaritätsmechanismus 427 Menschen
aus Italien und 93 Asylbewerber aus Zypern übernommen, weitere
Übernahmen seien geplant. Italien blockiert seit einigen Wochen unter
Verweis auf angebliche technische Probleme die Rücküberstellungen von
in Italien registrierten Asylbewerbern.

Der schwedische Staatssekretär Hall sagte, er sei überzeugt, dass
eine Einigung von allen EU-Staaten sehr schwierige Kompromisse
erfordern werde. «Es wird wahrscheinlich eine Lösung sein, wo keiner
mit allem zufrieden ist, aber wo wenigstens alle gleichermaßen
unzufrieden mit der gemeinsamen Lösung sind», fügte er hinzu.

Im vergangenen Jahr wurden in den Staaten der Europäischen Union eine
Million Asylanträge gestellt, so viele wie seit 2016 nicht. Hinzu
kamen fast vier Millionen Menschen aus der Ukraine, die in der EU
zwar keinen Asylantrag stellen müssen, aber auch weiterhin
untergebracht und versorgt werden müssen.

Eine effektive Kontrolle der EU-Außengrenzen sei wichtig, sagte
Faeser. Gleichzeitig beteuerte sie: «Es geht nicht darum, dass wir
Abschottungspolitik machen.»