Geplante EU-Arbeitszeitrichtlinie vom Tisch

28.04.2009 17:30

Brüssel/Berlin (dpa) - Nach rund fünf Jahre langen, zähen
Verhandlungen ist die geplante EU-Arbeitszeitrichtlinie endgültig vom
Tisch. Ein Treffen zwischen Vertretern des EU-Parlaments und der
Mitgliedstaaten brachte erneut keinen Erfolg, teilte die tschechische
Ratspräsidentschaft am Dienstag in Brüssel mit. «Das Ergebnis der
Gespräche war mit Sicherheit beeinflusst von den anstehenden Wahlen
zum Europaparlament», sagte der Ratsvorsitzende und tschechische
Arbeitsminister Petr Necas. Streitpunkt zwischen dem EU-Parlament und
dem EU-Ministerrat war die maximale Arbeitszeit in der Europäischen
Union.

Das EU-Parlament wollte an der 48-Stunden-Woche festhalten. Der
Ministerrat hatte in Ausnahmefällen bis zu 65 Stunden Arbeit erlauben
wollen. Diese Ausnahmeregelung, die sogenannte Opt-out-Bestimmung,
hatte Großbritannien 1993 für sich durchgesetzt, um von der 48-
Stunden-Woche abweichen zu können. Die Europaabgeordneten wollten
diese Regelung auslaufen lassen, der Rat widersprach. Die
Sperrminderheit im Ministerrat, darunter nach Diplomatenangaben auch
Deutschland, war nach Aussagen der Vize-Präsidentin des Parlaments,
Mechthild Rothe (SPD), «fast wie Stahlbeton». Auch Großbritannien,
Polen, die Slowakei und Malta wollten Ausnahmen weiterhin zulassen.

Die Bundesregierung bedauerte das endgültige Aus für die EU-
Arbeitszeitrichtlinie. «Heute ist eine große Chance verpasst worden»,
erklärte das Arbeitsministerium am Dienstag in Berlin. Der Deutsche
Gewerkschaftsbund (DGB) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft
sprachen ebenso von einer vertanen Chance. «Dies ist ein schwarzer
Tag für das soziale Europa und für Millionen Arbeitnehmer, die auf
bessere Arbeitsbedingungen gehofft haben», sagte die stellvertretende
DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock. Ärztevertreter nahmen das Scheitern
dagegen mit Erleichterung auf.

«Wenige Wochen vor der Europa-Wahl hat das Europäische Parlament
die Beschäftigten in den Krankenhäusern vor einer Verschlechterung
ihrer Arbeitsbedingungen bewahrt», sagte der Vizepräsident der
Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. Der erste Vorsitzende der
Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Rudolf Henke, sagte: «Jetzt
verlieren auch alle Forderungen deutscher Klinikarbeitgeber
hinsichtlich einer Aufweichung des deutschen Arbeitszeitgesetzes
deutlich an Gewicht.»

Der DGB übte scharfe Kritik an der Bundesregierung, die sich «als
maßgeblicher Faktor im Europäischen Rat bis zum Schluss einer
Einigung aktiv verweigert hat». DGB-Vize Sehrbrock sagte: «Wir haben
uns eine Einigung gewünscht, allerdings nicht zu jedem Preis.» Der
Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Frank Bsirske,
erklärte: «Kein Kompromiss ist besser als ein schlechter Kompromiss.»
Nun sei endlich die Aufweichung des Grundsatzes, dass
Bereitschaftsdienst Arbeitszeit ist, vom Tisch.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft forderte die EU-Kommission
auf, einen neuen Vorschlag auszuarbeiten, in dem die inaktive Zeit
des Bereitschaftsdienstes nicht als Arbeitszeit gewertet werde.

Im vergangenen Dezember hatte das Parlament gegen einen
entsprechenden Gesetzesentwurf gestimmt, der daraufhin in den
Vermittlungsausschuss ging. Auch nach insgesamt drei Ausschüssen
kamen die Beteiligten nun zu keinem Kompromiss. Weiterer Streitpunkt
zwischen Parlament und Ministerrat war die Bereitschaftszeit wie etwa
in Krankenhäusern oder bei Wachdiensten. Das Parlament forderte, hier
auch «inaktive» Bereitschaftszeit als Arbeitszeit anzuerkennen und zu
bezahlen. Der Rat wollte inaktive und aktive Phasen trennen.

Nun hoffen einige der Beteiligten, dass sich nach der Europawahl
im Sommer mit einer neu gewählten Kommission und einem neuen EU-
Parlament doch noch eine Lösung findet. Bis dahin bleiben aber
vorerst die gültigen Regeln zur Arbeitszeit in Kraft.
dpa pjd cro xxzz z2 mo