Prag will mit EU über Reformvertrag verhandeln

12.10.2009 16:02

Prag (dpa) - Die tschechische Regierung strebt nach den jüngsten
Forderungen des Prager Präsidenten Vaclav Klaus zum EU-Reformvertrag
Verhandlungen mit den europäischen Partnern an. Voraussichtlich werde
das Thema beim EU-Gipfel Ende Oktober behandelt, sagte
Ministerpräsident Jan Fischer am Montag nach einer Kabinettssitzung.
Man wolle aber keinesfalls den Ratifizierungsprozess des Lissabon-
Vertrags neu aufrollen. Fischer wird an diesem Dienstag zu einem
Gespräch mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel
erwartet.

Der EU-Kritiker Klaus hatte am Freitag mitgeteilt, er werde den
Reformvertrag nur ratifizieren, falls für Tschechien wie zuvor auch
für Polen und Großbritannien die EU-Grundrechtcharta ausgesetzt wird.
Damit will Klaus sein Land vor Rückgabeforderungen von Vertriebenen
schützen. Mehr als zwei Millionen Sudetendeutschen wurden nach dem
Zweiten Weltkrieg aus der damaligen Tschechoslowakei auf Grundlage
der umstrittenen Benes-Dekrete vertrieben und enteignet. Aus Sicht
von Klaus könnte die Grundrechtcharta der EU ihnen ermöglichen, vor
internationalen Gerichten auf Rückgabe und Entschädigung zu klagen.

Fischer wiederholte, die Regierung teile aufgrund juristischer
Analysen die Bedenken von Klaus nicht. Man bedauere, dass Klaus seine
Einwände nicht zu einem früheren Zeitpunkt vorgetragen habe. Der
Präsident solle vor neuen Verhandlungen «eindeutig garantieren», dass
er keine weiteren Bedingungen stellen werde, sagte Fischer. Er
erinnerte daran, dass Parlament und Senat in Prag das Abkommen
bereits im ersten Halbjahr 2009 mit verfassungsgebender Mehrheit
gebilligt haben.

Tschechien ist mittlerweile das letzte EU-Land, in dem der
Lissabon-Vertrag noch vor Hindernissen steht. Weiterhin steht auch
ein Urteil des Verfassungsgerichts in Brno (Brünn) aus, das auf
Antrag von 17 EU-kritischen Abgeordneten die Vereinbarkeit des
Abkommens mit tschechischem Recht prüft. Damit der EU-Reformvertrag
in Kraft treten kann, muss er von allen 27 EU-Ländern ratifiziert
sein. Dazu gehört auch die Unterschrift von Klaus, der schon seit
Jahren vor einem Verlust nationaler Souveränität durch die EU warnt.
dpa jl xx z2 mg