Mehr Macht der EU bei Finanzaufsicht

02.12.2009 19:03

   Brüssel (dpa) - Als Konsequenz aus der schlimmsten Finanzkrise
seit 70 Jahren erhält die EU mehr Macht bei der Finanzaufsicht. Die
obersten Kassenhüter der EU verständigten sich am Mittwoch in
Brüssel darauf, drei neue Aufsichtsbehörden für Banken,
Versicherungen und Wertpapiere zu schaffen. London verhinderte nach
erbittertem Widerstand weitreichende Kompetenzen der neuen
«Finanzmarktpolizisten». Das neue Überwachungs-System soll bereits
kommendes Jahr stehen.

Der Vorsitzende der Ministerrunde, der schwedische Ressortchef
Anders Borg, begrüßte den Kompromiss: «Europa hat die Verantwortung
übernommen, wichtige Maßnahmen zu ergreifen, die das Risiko einer
neuen Krise mindern.»

Im Europaparlament, das noch zustimmen muss, zeichnet sich
hingegen Widerstand ab. Dort wird die Forderung nach einer
zentralen EU-Finanzmarktaufsicht immer lauter. Der CDU-
Europaparlamentarier Burkhard Balz sagte: «Noch scheuen sich die
Mitgliedstaaten vor einer wirklich starken grenzüberschreitenden
Finanzmarktaufsicht.» Es dürfe keine faulen Kompromisse geben. Auch
der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Guy Verhofstadt,
kritisierte den Kompromiss. «Europas Bürger warten auf effiziente
Maßnahmen, um neue Wirtschaftskrisen zu verhindern.»

 Die EU-Staaten wollen mit der neuen Aufsicht ausdrücklich keine
neue Superbehörde schaffen, die zentral die Finanzmärkte überwacht.
Die Union nimmt aber für sich in Anspruch, auf internationaler
Ebene zu den Vorreitern einer neuen, weniger krisenanfälligen
Finanzarchitektur zu zählen. Der EU geht es um mehr Vertrauen an
den Finanzmärkten und den Schutz von Bürgern und Unternehmen.

   Für das Tagesgeschäft bleiben die nationalen Behörden
verantwortlich. In Deutschland sind dies derzeit die Bundesbank und
die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die
neuen EU-Behörden können aber vermitteln, wenn sich die nationalen
Aufseher nicht einigen können. Sie haben auch bei akuten
Krisenfällen besondere Rechte.

   Der britische Ressortchef Alistair Darling sagte: «Die
Verantwortung zur Regulierung der (Finanz-)Institutionen in unserem
Land bleibt bei unseren Aufsehern. Es hat aber im vergangenen Jahr
Fälle wie etwa Island gegeben, bei denen es sinnvoll gewesen wäre,
in Europa grenzüberschreitende (Aufsichts-)Agenturen zu haben.»

   Die neue Überwachung basiert auf Vorschlägen des französisch
en
Finanzfachmanns Jacques de Larosière. Die bereits bestehen
Ausschüsse der EU für Banken, Versicherungen und Wertpapiere werden
aufgewertet und vernetzt. In das Larosière-Paket gehört ein neuer
Weisenrat, die drohende neue Finanzkrisen an den Märkten erkennen
soll. Dieser Rat, der bei der Europäischen Zentralbank angesiedelt
werden soll, war von den Ressortchefs bereits im Oktober
beschlossen worden. Der EU-Gipfel am 10. und 11. Dezember wird sich
ebenfalls mit der Finanzaufsicht beschäftigen.

   Die EU-Staaten hatten sich bei den monatelangen Vorbereitungen
für den Kompromiss gestritten, wie die neuen Behörden in
Krisenfällen durchgreifen dürfen. Insbesondere Großbritannien
befürchtete, dass EU-Institutionen Mitgliedstaaten zur
milliardenschweren Rettung von schwächelnden Banken verpflichten
können. Die Minister fanden einen Mechanismus, dass Mitgliedstaaten
sich gegen Beschlüsse der EU- Behörden wehren können. In
Konfliktfällen bei Krisen sind dann letztlich die EU-Finanzminister
oder sogar die Staats- und Regierungschefs gefragt.

   Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte noch vor der
Einigung, mit den neuen europäischen Aufsichtsstrukturen könnten
auch die nationalen Aufsichtsbehörden leistungsfähig bleiben. Die
Rechte der nationalen Parlamente, insbesondere beim Budget, seien
gesichert. «Ich bin überzeugt (...), dass eine Lösung dem Lissabon-
Vertrag (der EU) und den Anforderungen unseres Grundgesetzes
entspricht», sagte Schäuble.

Von Simone Mayer und Christian Böhmer, dpa
dpa cb/may xx z2 bsj/kf