Zwischen Streik und Stinkefinger - Griechen im Tief Von Takis Tsafos, dpa

24.02.2010 11:44

Athen (dpa) - Für die Griechen kommt es zur Zeit knüppeldick.
Jahrelang soll ihre Regierung die Zahlen geschönt haben und so
Schulden über Schulden angehäuft haben, nun verordnet die neue
Regierung ihnen auf Druck der EU ein massives Sparprogramm, gegen das
die Gewerkschaften Sturm laufen und am Mittwoch weitgehend den
Verkehr lahmlegten. Und jetzt müssen sich die Griechen auch noch
gefallen lassen, dass ihre Aphrodite ihnen auf dem Titel des jüngsten
«Focus» einen Stinkefinger zeigt. Nach einer Reihe anderer kritischer
Berichte in deutschen Medien über den Schuldenrekordhalter brachte
dies für manche Griechen das Fass zum überlaufen.

Die Zeitung «Eleftheros Typos» brachte am Dienstag als Reaktion
auf den «Focus»-Titel eine Fotomontage der Göttin Viktoria auf der
Berliner Siegessäule, die ein Hakenkreuz hält. Im Text dazu hieß es:

«Finanznazitum bedroht Europa» und: «Es reicht mit der Verleumdung
des Landes durch die Deutschen». Am Mittwoch setzten einige Zeitungen
noch nach und erinnerten daran, dass die Griechen unter anderem die
besten Käufer deutscher Waffen seien und daran ja auch deutsche
Arbeitsplätze hingen.

Verärgert reagiert auch der griechische Parlamentspräsident
Filippos Petsalnikos, der einst in Deutschland studiert hatte. Er bat
den deutschen Botschafter in Athen zu sich und erklärte im
Fernsehen, die deutsche Presse reagiere manchmal hysterisch. Im Radio
hatte er zuvor auf die «Focus»-Vorwürfe, Griechenland sei in den
letzten 2000 Jahren dekadent gewesen, geantwortet: «Wieso, haben die
Deutschen in den letzten 40 Jahren einen neuen Beethoven
hevorgebracht?».

Auch der Bürgermeister von Athen, Nikitas Kaklamanis, rief alle
Menschen, die sich mit Athen verbunden fühlen, dazu auf, «gegen diese
beschämende Veröffentlichung zu protestieren». Der Chef der kleinen
ultrakonservativen Partei Völkische Orthodoxe Gesamtbewegung (Laos),
Giorgos Karatzaferis, forderte die sozialistische Regierung auf, sie
sollte noch nicht von Deutschland bezahlte Reparationen für den
Zweiten Weltkrieg nun einfordern. Der bekannte griechische
Widerstandskämpfer Manolis Glezos erklärte, der Artikel
des «Focus» und andere Veröffentlichungen in Deutschland seien eine
«Schmähung».

Derweil bemühten sich die deutsche Botschaft und die griechische
Regierung darum, die Wogen wieder zu glätten. «Die
Botschaft bedauert, dass aktuelle deutsche Medienberichte von der
griechischen Öffentlichkeit und Medien als verletzend oder
beleidigend empfunden werden. Ich möchte ausdrücklich dazu aufrufen,
einzelne Medienberichte nicht zu verwechseln mit der differenzierten
deutschen öffentlichen Meinung zu Griechenland», erklärte
Botschafter Wolfgang Schultheiß schriftlich. «Die mediale Kontroverse
wird den guten deutsch-griechischen Beziehungen nicht gerecht»,
betonte Schultheiß weiter. Die Regierung in Athen ließ sich von dem
Stinkefinger nicht weiter provozieren. «Solche Titel sind keines
Kommentars wert», sagte der griechische Regierungssprecher gelassen.

Die einflussreiche konservative Athener Zeitung «Kathimerini»
riet am Mittwoch ebenfalls zur Gelassenheit: «Die Überreaktion (in
Athen) könnte zu einer anti-deutschen Hysterie in Griechenland
führen.» Der extreme Titel des «Focus» dürfte nicht zum Trittbret
t
für weitere populistische Aussagen werden. Und dies dürfte vor allem
jetzt nicht geschehen, «wo Athen die tatkräftige Hilfe der Partner in
der EU erwartet», meinte das Blatt weiter.

dpa tt xx a3 tm