EU-Projekt zu Minderheitensprachen startet Von Janina Plato, dpa

03.03.2010 10:00

EU-Projekt zu Minderheitensprachen startet
Von Janina Plato, dpa =     

Mainz (dpa) - Im Osten Finnlands und im Nordwesten Russlands
begrüßen sich die Menschen vom Volk der Karelier mit einem gut
gelaunten «Terveh». Das ist Karelisch ­ eine Sprache, die nur noch
von rund 85 000 Menschen gesprochen wird. Sie gehört somit zu den
Minderheitensprachen. Viele von ihnen sind vom Aussterben bedroht. In
Europa sprechen laut Europäischer Union geschätzte 46 Millionen
Menschen Minderheitensprachen. Weltweit herrscht mit der immer wieder
kursierenden Zahl von etwa 6000 Sprachen eine Vielfalt, die nach
Ansicht vieler Sprachfreunde möglichst erhalten bleiben soll.

Dieses Ziel verfolgt auch das EU-Projekt ELDIA. Es startet am
kommenden Montag (8. März) mit einer Veranstaltung in Mainz und ist
nach Angaben seiner Mitglieder das weltweit größte Vorhaben seiner
Art zur Erforschung von Minderheitensprachen. Die Federführung hat
die finnische Professorin Anneli Sarhimaa, Expertin für nordische und
baltische Sprachen an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz.

Gefördert wird ELDIA (European Language Diversity for All) mit 2,7
Millionen Euro. Experten untersuchen zwölf finno-ugrische Sprachen,
von denen die meisten in Russland vorkommen. An dem bis August 2013
laufenden Projekt beteiligen sich acht Universitäten in Deutschland,
Schweden, Finnland, Österreich, Estland und Slowenien. Mehr als 30
Projektforscher der Fachbereiche Rechtswissenschaften und Soziologie
sowie Sprachwissenschaften, Statistiker und Studenten sind mit von
der Partie.

«Ziel ist es, ein Vitalitätsbarometer zu entwickeln, das auf alle
Minderheitensprachen weltweit übertragbar ist», erklärt Sarhimaa. So

solle genau erkennbar sein, welche Faktoren auf diese Sprachen
einwirken und eventuell zu einem Aussterben führten. Mit diesen
Erkenntnissen könnten dann unter Umständen von der Politik Maßnahmen

zur Erhaltung angestoßen werden. Die ausgewählten Sprachen eignen
sich nach den Angaben besonders gut, da sie fast alle weltweiten
Typen von Minderheitensprachen abdecken.

Wie die Sprachwissenschaftlerin weiter erklärt, sind oft andere,
dominante Sprachen der Grund für das Aussterben. «Nationalsprachen
wie Finnisch oder Russisch, die aufgrund der Verfassung Sprache des
Landes sind, verdrängen die von weniger Menschen gesprochenen
Sprachen», sagt Sarhimaa. Vertreibung und Unterdrückung seien weitere
wichtige Faktoren.

Auch könne eine Sprache über Generationen hinweg aussterben. «Wird

sie von den Großeltern noch gesprochen, wachsen deren Kinder bereits
mehrsprachig auf, die Enkelkinder beherrschen dann nur noch die
Nationalsprache des Landes», erklärt die Forscherin.

«Ist das Selbstbewusstsein der Sprecher groß und wird die Sprache
auch vom Rest der Bevölkerung akzeptiert, ist die Überlebenschance
höher», weiß die Expertin. Deshalb sei es wichtig, die
gesellschaftlichen und politischen Einwirkungen mit Befragungen zu
untersuchen. Ein Jahr lang wollen die Forscher unter anderem Sprecher
von Estnisch, Wepsisch (Nordwest-Russland) sowie Nordsamisch
(Norwegen) interviewen. Die gesammelten Erkenntnisse sollen
ausgewertet und mit den juristischen sowie soziologischen Analysen
zusammengeführt werden.

(Internet: www.eldia-project.org)

[Sprachen Nordeuropas und des Baltikums (SNEB), Universität]: Jakob-
Welder-Weg 18, 55099 Mainz

dpa jpl hx em yyrs a3 löb/gth