Spaniens erfolgloser EU-Ratsvorsitz geht zu Ende Von Jörg Vogelsänger und Christian Böhmer, dpa

23.06.2010 11:02

Spaniens EU-Vorsitz sollte von Erfolgen im Kampf gegen die
Wirtschaftskrise gekrönt werden. Doch es kam anders. Regierungschef
Zapatero musste verhindern, dass sein Land selbst in den
Krisenstrudel geriet. Eine Chronik der verpassten Chancen:

   Madrid/Brüssel (dpa) - Spaniens EU-Ratspräsidentschaft begann

bereits mit einer Panne. Statt Ministerpräsident José Luis Rodríguez

Zapatero begrüßte im Januar zunächst der tollpatschige Mr. Bean die
Besucher der offiziellen Internetseite - einem Hacker war die
Lachnummer zu verdanken. Weitaus schwerer wogen hingegen die
politischen Rückschläge, die Spanien während des sechsmonatigen EU-
Vorsitzes hinnehmen musste.

   Eines der erklärten Ziele Madrids lautete, der EU in dieser Zeit

den entscheidenden Impuls zu geben, die Wirtschaftskrise hinter sich
zu lassen. Stattdessen war die sozialistische Regierung damit
beschäftigt, milliardenschwere Sparprogramme aufzulegen, damit das
hoch verschuldete Land nicht selbst in den Sog der Griechenland-
Misere geriet. Die wichtigen Entscheidungen im Kampf gegen die Krise
des Euro fielen ohnehin in Brüssel.

   Viel eigenen Spielraum hatte Madrid nicht. Der spanische EU-
Vorsitz war der erste nach den Regeln des neuen Lissabon-
Reformvertrages und läutete damit eine neue Ära ein: Die
Führungsrolle hat der nun der ständige Ratspräsident Herman Van
Rompuy. Spanien vertrat die 27 Mitgliedsländer auch nicht in
außenpolitischen Fragen, weil diese Funktion der EU-Außenbeauftragten
Catherine Ashton zufiel.

In Brüssel sieht man Spanien mit etwas Mitleid als erstes «Opfer»

des neuen EU-Vertrags. «Die turnusmäßige Präsidentschaft spielt unt
er
dem Strich nur noch eine untergeordnete Rolle», bilanziert ein hoher
EU-Verantwortlicher, der ungenannt bleiben will. «Bedeutend ist sie
nur noch in zwei Bereichen: Zunächst bei wichtigen Ministertreffen
wie beispielsweise bei den EU-Finanzministern. Zweitens gibt es noch
die Darstellung nach außen, was auch wichtig für die Bevölkerung ist.

Dieser Aspekt dürfte gerade für die mitteleuropäischen Länder Ungar
n
und Polen wichtig sein, die nächstes Jahr den EU-Vorsitz führen.»

Spaniens Zapatero konnte auch mit bilateralen Treffen kaum
glänzen: Ein geplantes Gipfeltreffen der EU und der USA musste
gestrichen werden, da US-Präsident Barack Obama seine Teilnahme
absagte. Auch der für den 7. Juni vorgesehene Gipfel der
«Mittelmeerunion» in Barcelona kam nicht zustande. Islamische Staaten
hatten mit einem Boykott gedroht, weil sie mit Israel nicht an einem
Tisch sitzen wollten.

   Als einziges Highlight blieb somit der EU-Lateinamerika-Gipfel,
dem allerdings einige wichtige Staats- und Regierungschefs
fernblieben. Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm wegen der Gespräche
über das Euro-Hilfspaket nur an dem Abendessen im Königspalast teil
und reiste danach wieder nach Berlin zurück. Das wichtigste Ergebnis
des Treffens waren Handelsübereinkommen zwischen der EU und
Lateinamerika. «Der Gipfel und die dort erzielten Resultate werden
den insgesamt belanglosen Ratsvorsitz nicht mehr retten», urteilte
die Zeitung «El Periódico de Catalunya».

   Ihre wichtigste außenpolitische Initiative hatte die spanische
Regierung ohnehin schon vorher begraben müssen: Madrid wollte die EU
zu einer flexibleren Haltung gegenüber Kuba bewegen, stieß damit aber
auf heftigen Widerstand anderer Staaten der Union.

   Am 1. Juli wird Belgien den EU-Ratsvorsitz von Spanien übernehme
n.
Es gilt als äußerst unwahrscheinlich, dass bis dahin eine neue
Regierung in Brüssel installiert ist. Sieger der Parlamentswahlen vom
13. Juni war der flämische Nationalist Bart De Wever, der derzeit
Chancen einer Regierungsbildung auslotet. Ob er Regierungschef werden
wird, ist aber nicht ausgemacht. Europa wird also zunächst mit dem
amtierenden Premier Yves Leterme vorlieb nehmen müssen. Große Sorgen
macht das in Brüssel nicht - weil die turnusmäßige Präsidentschaft

bei den richtig wichtigen Themen und Problemen ihre Schlüsselrolle
ohnehin verloren hat.

# dpa-Notizblock

## Internet
- [Spanische EU-Ratspräsidentschaft](http://www.eu2010.es)
- [Spanische Regierung](http://www.la-moncloa.es)

## Orte
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