Terrordebatte entfacht Streit zwischen EU und USA

07.10.2010 18:02

Wie groß ist die terroristische Gefahr für Europa wirklich? Das
schätzen die USA und die EU-Länder ganz unterschiedlich ein - was zu
Streit führt. Die EU wirft den USA vor, zu wenig Information
weiterzugeben. Aber auch untereinander sind die Europäer uneins.

   Luxemburg (dpa) - Europa ist verärgert: Die pauschale Warnung de
r
Amerikaner vor möglichen terroristischen Anschlägen in Europa hat
heftigen transatlantischen Streit ausgelöst. Einige EU-Länder fühlen

sich von den US-Geheimdiensten schlecht informiert. Auch auf dem
Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag in Luxemburg blieben die
USA die Antwort schuldig, auf welchen Erkenntnissen der Geheimdienste
die jüngste Reisewarnung für Europa basierte. «Es wurden keine
Quellen genannt», sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).

Aber auch innerhalb Europas gibt es Streit. Trotz der anhaltenden
Terrorgefahr bekommt die EU kein einheitliches Warnsystem. Während
einige Länder - wie Frankreich - Warnstufen haben, setzen andere
Länder auf verschiedene Farben (rot als höchste Gefahr). «Die
Bedrohungslage ist in allen Ländern verschieden», sagte de Maizière.

Ein einheitliches Alarmsystem werde daher nicht allen Staaten
gerecht. Deutschland fahre seine Maßnahmen derzeit hoch.

   Erst am vergangenen Wochenende hatten die USA ihre Bürger vor
möglichen Al-Kaida-Terroranschlägen in Europa gewarnt. Das sorgte für

mächtig Aufregung in Europa, wo die einzelnen Staaten ganz
unterschiedlich reagierten: Während die Bundesregierung keine
konkrete Bedrohung ausmachen konnte, verstärkte Frankreich seine
Sicherheitsvorkehrungen. Großbritannien verschärfte seine Hinweise
für Reisen nach Deutschland und Frankreich.

Um dieses Wirrwarr zu vermeiden, einigten sich die EU-Minister
darauf, künftig koordinierter vorzugehen. «Man muss den schmalen Grad
finden zwischen Information der Bevölkerung und Angstmache der
Bevölkerung», sagte Belgiens Innenministerin Annemie Turtelboom. Alle
Länder müssten eine gemeinsame Sprachregelung finden. Belgien hat
derzeit den Vorsitz bei den Treffen der EU-Minister inne.

Zudem vereinbarten die Innenminister, sich einmal pro Jahr mit
ihren US-Kollegen zu treffen. Im Kampf gegen den Terror wollen die
USA und die EU künftig mehr Daten - beispielsweise von
Flugpassagieren - austauschen. Vor Terrorwarnungen wollen die Staaten
künftig das bei der EU angesiedelte gemeinsame Situationszentrum
(SitCen) - ein Nachrichten- und Analysezentrum - informieren.

In der Einschätzung der jüngsten Terrorgefahr sind sich die EU-
Staaten insoweit einig, dass nach wie vor Gefahr besteht. In
Luxemburg sagte die stellvertretende US-Heimatschutzministerin Jane
Holl Lute, die terroristische Bedrohung für Europa sei «real».
«Exakte Ziele wurden nicht von den USA genannt», sagte der EU-
Antiterror-Koordinator Gilles de Kerchove - weder konkrete
Anschlagsziele, noch Zeitpunkte. Meldungen über Razzien und Gefechte
hätten jüngst den Eindruck einer wachsenden Bedrohung verstärkt.

Insbesondere Belgien als Ratspräsidentschaft erhob Vorwürfe gegen
die USA. «Ich glaube, es ist sehr wichtig, mehr Informationen zu
bekommen, denn es ist das erste Mal, dass die USA eine Reisewarnung
für ganz Europa gegeben haben», sagte Turtelboom. Bundesinnenminister
de Maizière räumte ein, dass die EU-Staaten unterschiedlich enge
Kontakte zu den US-Geheimdiensten hätten: «Natürlich ist die
Zusammenarbeit zwischen den Diensten innerhalb der Europäischen Union
und auch zu den Amerikanern unterschiedlich.» Dies hänge mit der
Gefährdungslage, aber auch mit der Tradition der Geheimdienste
zusammen. Deutschland fühle sich bestens informiert.

Die Terrorismusbekämpfung ist nationale Angelegenheit, die
Europäische Union ist nur für die Koordinierung zuständig. Dafür gi
bt
es seit 2007 den Antiterror-Koordinator der EU, Gilles de Kerchove.

   Der Bundesinnenminister warnte am Donnerstag vor Panikmache. Der
Reisehinweis der USA dürfe nicht überinterpretiert werden. «Es ist
nicht ein Reisealarm, sondern ein Reisehinweis», sagte de Maizière.
«Dieser Unterschied ist in Deutschland ein bisschen untergegangen.»
In einer Reisewarnung würde von Reisen nach Europa gänzlich abgeraten
- dies war aber nicht der Fall.

# dpa-Notizblock

## Orte
- [Treffen EU-Innenminister](Centre de Conférence - Plateau
Kirchberg, Luxemburg)