(Zusammenfassung 1915 - neu: Großbritannien, Merkel) EU fordert von Irland Zugeständnisse für Rettung (Mit Bildern und Grafik Nr. 13778)

22.11.2010 19:16

Irland unter massivem Druck. Das schwer verschuldete Land will
milliardenschwere Nothilfen. Die Euro-Partner dringen auf harte
Auflagen. Um Umfang und Details wird gestritten. Das Land fürchtet,
einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu verlieren.

   Brüssel/Berlin (dpa) - Die EU hat den Milliarden-Rettungsschirm

für Irland aufgespannt - jetzt wird um den Preis der Hilfe
gefeilscht. Die EU, die Euro-Länder und der Internationale
Währungsfonds (IWF) verlangen, dass Irland sein marodes Bankensystem
neu aufstellt und den Haushalt saniert. Kniffligster Streitpunkt ist
jedoch die im Vergleich zu anderen EU-Staaten niedrige
Unternehmensteuer. Der Druck wächst: Im Gegenzug für Finanzhilfen
soll die Regierung in Dublin die Unternehmen höher besteuern.

«Wir werden mit unseren irischen Freunden über die anstehenden
Schritte beraten», sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt,
Werner Hoyer, am Montag in Brüssel am Rande von Beratungen der EU-
Außenminister. «Sie werden sich einem guten Rat nicht verweigern.
Deshalb bin ich sicher, dass diese Frage auch mitdiskutiert wird»,
sagte Hoyer.

   In Irland ist die Unternehmenssteuer mit 12,5 Prozent im
europaweiten Vergleich besonders niedrig - ein großer Anreiz für
ausländische Unternehmen, sich anzusiedeln. Das wird von vielen EU-
Ländern, darunter auch Deutschland, als unlauterer Vorteil angesehen,
der nun abgeschafft werden sollte. Irland wehrt sich heftig dagegen.

   Allerdings sind Steuern nationale Angelegenheiten. Der Sprecher
von EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte dazu denn auch, «es ist
Sache der irischen Regierung, über die Einnahmen und Ausgaben selbst
zu entscheiden». Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin,
die Körperschaftsteuer oder Unternehmenssteuer sei einer von mehreren
Ansatzpunkten, wenn es darum gehe, die Einnahmeseite in Irland zu
verbessern.

   Irland war am Sonntagabend unter den insgesamt 750 Milliarden Euro

schweren Rettungsschirm geschlüpft. Einen entsprechenden Antrag hat
die irische Regierung nach Aussage des Bundesfinanzministeriums vom
Montag inzwischen bei der Euro-Gruppe gestellt. Bundeskanzlerin
Angela Merkel verteidigte die Nothilfe als Beitrag zur Stabilisierung
des Euro. «Um die starke Stellung des Euro zu halten, müssen wir
die Schwächen beseitigen», sagte sie am Montag in Berlin.

Details und Umfang der Hilfen sind offen. Klarheit wird in dieser
Woche erwartet. Die irische Regierung hatte von «unter 100 Milliarden
Euro» gesprochen. Spekuliert wird über 90 Milliarden Euro. Auch
Großbritannien, das nicht zur Eurozone zählt, bot Dublin am Montag
offiziell Finanzhilfe an. Britische Medien gehen von einem Umfang von
rund sieben Milliarden Euro aus.

Die Finanzmärkte reagierten am Montag auf die Irland-Lösung
zunächst durchweg positiv, der Euro erholte sich. Die
«Beruhigungspille», wie es im Handel hieß, wirkte nur aber nur kurz -

der Deutsche Aktien-Index fiel am Nachmittag ins Minus - der Markt
warte auf «harte Fakten», wurde moniert. Bei den deutschen Banken,
die mit insgesamt rund 115 Milliarden Euro in Irland engagiert sind,
und sich nun entspannt zurücklehnen können, herrschte aber durchweg
Erleichterung, wie hinter den Kulissen zu vernehmen war. Springen
doch erneut die Staaten und damit die Steuerzahler in die Bresche.

   Die Details des Pakets werden derzeit von einer Expertengruppe von

EU, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) in Dublin geklärt. Die
Verhandlungen werden bis Ende November dauern, sagte EU-
Währungskommissar Rehn. Das Nicht-Euro-Land Schweden überraschte mit
einem Hilfsangebot von bis zu 1,1 Milliarden Euro. Finanzminister
Anders Borg begründete die bilaterale Hilfe damit, dass Irland für
die EU «systemrelevant» sei und ein finanzieller Kollaps dort über
Großbritannien und Deutschland auch voll auf Schweden durchschlagen
würde.

    Eine Voraussetzung für die internationalen Milliardenhilfen ist

nach Darstellung der Bundesregierung auch eine schriftliche Erklärung
von EU-Kommission und EZB, dass durch die Notlage in Irland die
gesamte Euro-Zone destabilisiert werden könnte. Hoyer sieht keine
Ansteckungsgefahr für andere Wackelkandidaten wie Spanien oder
Portugal.

   Als Reaktion auf die Vertrauenskrise an den Finanzmärkten hatten

die EU-Regierungschefs im Frühjahr einen Rettungsschirm beschlossen.
Als erste Notfallhilfen können 60 Milliarden Euro der EU-Kommission
sofort fließen. Reicht das Geld nicht, leisten die Euro-Staaten
Kreditgarantien von bis zu 440 Milliarden Euro. Dritter Teil sind
Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) von bis zu 250
Milliarden Euro.

   Der Beitrag der teilnehmenden Euro-Länder richtet sich nach ihre
m
Anteil am Kapital der EZB - für Deutschland rund 28 Prozent. Dazu
käme ein Risikopuffer von bis zu 20 Prozent, wenn klamme Staaten
nicht mitziehen können und stärkere für sie einspringen müssen. Der

deutsche Garantierahmen beträgt also bis zu 123 Milliarden Euro und
kann auf rund 148 Milliarden Euro steigen. Die Garantiezusagen sollen
bis 30. Juni 2013 befristet sein. Bei den Not-Krediten soll es auch
keinen Automatismus geben. Die Euro-Staaten müssen sie einstimmig
genehmigen.

Kosten entstehen Deutschland zunächst nicht. Die Steuerzahler
haften aber für das Risiko. Werden jedoch Notkredite zurückgezahlt
und fallen nicht aus, macht der Bund sogar ein gutes Geschäft. Beim
Bundesverfassungsgericht sind noch mehrere Klagen anhängig.

   In der EU werden strengere Maßnahmen diskutiert - für die Zeit

nach Auslaufen des aktuellen Rettungsschirms im Jahr 2013. Dabei geht
es auch um eine vor allem von Deutschland geforderte Beteiligung
privater Geldgeber an der Sanierung eines Euro-Landes. Diese Pläne
haben für Unruhe unter Investoren und an den Märkten gesorgt.

   Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn verglich Irland mit
Griechenland, das im Mai ebenfalls mit einem milliardenschweren
Kreditpaket von EU und IWF vor dem Bankrott gerettet werden musste -
der Rettungsschirm wurde aber erst danach geschaffen. «Irland
befindet sich in einer sehr schwierigen Phase, die Griechenland
vergleichbar ist», sagte er. «Wir werden das Problem Irland lösen wie

wir das Problem Griechenland gelöst haben. Und dann hoffe ich, dass
die Lage sich stabilisiert.»

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