EU-Gipfel berät über Libyen - Gaddafi-Truppen erobern Städte zurück

11.03.2011 12:14

Die EU will den Druck auf Libyens Diktator erhöhen. Auf einem Gipfel
in Brüssel geht es auch um die Einrichtung einer Flugverbotszone.
Frankreichs Präsident Sarkozy fordert als letztes Mittel «gezielte
Aktionen». Deutschland verfolgt das mit großer Skepsis.

   Brüssel/Tripolis (dpa) - Die Europäische Union will den Druc
k auf
den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi erhöhen. Die Staats- und
Regierungschefs der 27 EU-Länder kamen dazu am Freitag in Brüssel zu
einem Gipfeltreffen zusammen. Dabei geht es auch um Überlegungen für
eine Flugverbotszone über dem nordafrikanischen Land. Frankreichs
Präsident Nicolas Sarkozy forderte als letztes Mittel gegen die
Gewalttaten des Gaddafi-Regimes «gezielte Aktionen».

   Frankreich und Großbritannien seien unter bestimmten Bedingungen

dazu bereit, sagte Sarkozy zu Beginn des Treffens. Militäraktionen
kämen allerdings nur «rein defensiv» in Frage - beispielsweise, wenn

Gaddafi chemische Waffen gegen sein Volk einsetzen sollte. Die
Bundesregierung beurteilt die Pläne für eine Flugverbotszone
weiterhin mit großer Skepsis. Zugleich traten am Donnerstag weitere
Sanktionen in Kraft.

   Bei den Kämpfen in Libyen machten Gaddafis Truppen weiter Boden

gut. Nach Medienberichten nahmen sie die Stadt Al-Sawija im Westen
sowie den östlichen Ölhafen Ras Lanuf ein. Den Eroberungen gingen
tagelange, erbitterte Kämpfe mit den Rebellen voraus. Über
Opferzahlen lagen zunächst keine verlässlichen Angaben vor. Vor allem
in Al-Sawija, einer Stadt 50 Kilometer westlich von Tripolis, wurden
viele Tote und Verletzte unter der Zivilbevölkerung befürchtet.

   Die EU will Gaddafi am Freitag in der offiziellen
Abschlusserklärung des Gipfels auffordern, die Macht nach vier
Jahrzehnten abzugeben. Der britische Premierminister David Cameron
sagte: «Es ist wichtig, dass die Staaten Europas politischen Willen,
Ehrgeiz und Einheit zeigen und klar machen, dass Oberst Gaddafi gehen
muss.»

   Über das weitere Vorgehen ist sich die EU jedoch noch uneins. Al
s
erster EU-Staat hatte Frankreich die Opposition in Bengasi als
alleinige und rechtmäßige Vertretung des libyschen Volkes anerkannt.
Von Sarkozys Libyen-Initiative wurde nach einem Bericht der
Tageszeitung «Le Figaro» aber auch sein eigener Außenminister Alain
Juppé überrascht.

   Die Bundesregierung reagierte mit Zurückhaltung. Außenminister

Guido Westerwelle (FDP) sagte im ZDF: «Meine Aufgabe ist es, dafür zu
sorgen, dass wir als Deutsche nicht leichtfertig in einen Krieg
hineingezogen werden, aus dem wir dann viele Jahre nicht herauskommen
können.» Der neue Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU)
sagte bei seinem ersten Auftritt in Brüssel, die Lage in Libyen sei
keine Grundlage «für eine irgendwie geartete militärische
Intervention durch die Nato».

   Als Bedingungen für die Einrichtung einer Flugverbotszone nennen

Deutschland und andere EU-Staaten immer wieder ein Mandat der
Vereinten Nationen sowie die Zustimmung der Arabischen Liga.
Inzwischen wird der Luftraum über Libyen aber rund um die Uhr von
Awacs-Aufklärungsflugzeugen der Nato überwacht. Auch die Präsenz von

Kriegsschiffen wurde verstärkt. Russland - als eines der ständigen
Mitglieder im UN-Sicherheitsrat mit Vetorecht ausgestattet - lehnte
ein militärisches Eingreifen abermals ab.

   Derweil traf eine Delegation Gaddafis in Kairo ein. Die Abordnung

will dort an diesem Samstag an einem Ministertreffen der Arabischen
Liga teilnehmen. Gaddafi ließ unterdessen drei niederländische
Marineflieger frei, die seit Ende Februar festgehalten wurden. Die
beiden Männer und eine Frau kamen an Bord einer griechischen
Militärmaschine am Freitag in Athen an.

   Mit den neuen EU-Sanktionen wurde das Vermögen von fünf libysc
hen
Finanzinstituten eingefroren. Außerdem wurde der österreichische
Staatsbürger Mustafa Zarti (40) auf eine Liste von bislang 26
libyschen Führungspersonen gesetzt - seine Konten sind damit
gesperrt. Da der als «Strohmann» Gaddafis geltende Zarti einen
EU-Pass hat, darf er sich allerdings weiter in der EU aufhalten.
Deutschland hatte bereits zuvor die Konten der libyschen Notenbank
und des libyschen Staatsfonds LIA bei deutschen Banken gesperrt.

   Das Weiße Haus spielte unterdessen die Einschätzung von
US-Geheimdienstchef James Clapper herunter, wonach Gaddafi gute
Chancen habe, im Kampf gegen die Rebellen die Oberhand zu behalten.
Der Sicherheitsberater von Präsident Barack Obama, Tom Donilon,
sprach von einer «eindimensionalen Analyse», die eine Reihe von
Faktoren außer Acht lasse. Clapper hatte seine Ansicht damit
begründet, dass Gaddafi über eine wesentlich bessere Ausrüstung und
Logistik als seine Gegner verfüge.

# dpa-Notizblock

## Orte
- [EU-Kommission](Rue de la Loi 200, B-1049 Brüssel, Belgien)
- [Kämpfe](Ras Lanuf, Libyen]
- [Libyscher Nationalrat](Bengasi, Libyen)
- [EU-Ministerrat](Rue de la Loi 175, 1048 Brüssel, Belgien)
- [NATO-Zentrale](Blvd Leopold III, 1110 Brüssel, Belgien)