Schuldenkrise in Griechenland spitzt sich immer weiter zu Von Thomas Kaufner, dpa
29.05.2011 12:46
Das griechische Schuldendebakel treibt die EU in eine verfahrene
Lage: Der Patient verweigert die verschriebene Medizin, die aber
Voraussetzung für laufende Hilfen wäre. Europa will das nicht
hinnehmen, darf aber Athen auch nicht in die Pleite rauschen lassen.
Berlin/Athen (dpa) - Für Griechenland wird es immer enger: Erst
verweigerte sich die Opposition am Freitag abermals dem Sparkurs von
Ministerpräsident Giorgos Papandreou. Nun muss Athen nach
Informationen des Nachrichtenmagazins «Spiegel» auch noch mit einem
verheerenden Zeugnis zu seinen Sparbemühungen rechnen. Nach dem
aktuellen Bericht der sogenannten «Troika» von Europäischer
Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und
EU-Kommission verfehle Griechenland bislang alle mit den
internationalen Geldgebern vereinbarten Finanzziele.
Das Defizit im Staatshaushalt falle wegen unverhältnismäßig hoher
Staatsausgaben größer aus als erwartet, zitiert «Der Spiegel»
aus dem Bericht. Außerdem blieben die Steuereinnahmen hinter den
Vorgaben zurück.
Bislang unklar ist, welche Konsequenzen das für die Überweisung
der nächsten Kredittranche an Griechenland haben könnte. Das Land hat
nur noch bis Mitte Juli Mittel, um seine Verpflichtungen zu erfüllen
und Löhne sowie Pensionen zu zahlen. «Über die nächste Tranche werd
en
wir nach dem Bericht der Troika entscheiden», zitiert das Magazin
EU-Währungskommissar Olli Rehn. «Die Lage ist sehr ernst.» Nach
seinen Worten stellt die EU dieselben Bedingungen an Griechenland wie
der IWF.
Zuvor hatte der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Premier
Jean-Claude Juncker, Medienberichten zufolge in Luxemburg gesagt,
falls der IWF seinen Teil der aktuellen Tranche von gut drei
Milliarden Euro nicht auszahlen wolle, werde von den Europäern
erwartet, dass diese den Ausfall «auf ihre Kappe nehmen» müssten.
Unterdessen gingen am Wochenende wieder tausende Griechen auf die
Straße um gegen den harten Sparkurs der Regierung zu protestieren.
Aufgerufen hatte die vor allem über das Internet organisierte
Bewegung der «Empörten Bürger». In Athen schlugen am Samstag viele
Demonstranten mit Kochlöffeln und Töpfen Krach. Sie riefen «Diebe,
Diebe» in Richtung Parlament.
Papandreou will mit seinem neuen Sparprogramm in den kommenden
vier Jahren 78 Milliarden Euro sparen; einen großen Teil davon will
die Regierung mit dem Verkauf von Staatsbesitz einnehmen. Das Land
war 2010 als erstes in der EU mit einem Hilfspaket im Umfang von 110
Milliarden Euro vor dem Abgrund gerettet worden; mittlerweile wird
immer klarer, dass dies nicht reichen wird. Im Gespräch sind weitere
30 bis 60 Milliarden Euro, die zusätzlich benötigt werden. Außerdem
macht das Wort von einer «weichen» Umschuldung die Runde,
beispielsweise durch eine zeitliche Streckung laufender
Zahlungsverpflichtungen.
Aus Sicht der EZB muss der Verkauf von Staatsbesitz schneller
verlaufen als von der Regierung geplant. «Man sollte hier ehrgeiziger
sein. Das würde den Schuldenstand um 20 Prozentpunkte drücken», sagte
EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark der «Welt am Sonntag». Er verlangte
die Schaffung einer unabhängigen Privatisierungs-Agentur. «Dafür kann
man sich die Erfahrungen anderer Staaten zueigen machen,
einschließlich der Treuhandanstalt in Deutschland», sagte er. «Die
griechische Regierung hält Anteile an börsennotierten Unternehmen,
sie besitzt Immobilien. Experten schätzen das Verkaufspotenzial auf
bis zu 300 Milliarden Euro. Ein Teil dieser Werte muss mobilisiert
werden, um den Schuldenstand zu senken.»
Ausdrücklich sprach sich Stark gegen eine «weiche Umschuldung»
aus. «Wenn Sie sanft starten, indem Sie zum Beispiel die Laufzeiten
der Bonds verlängern, ändert sich an der Höhe der Schulden wenig.
Gleichzeitig aber erlahmen die Anpassungsanstrengungen. Das Problem
ist nicht gelöst», sagte Stark. Nach Ablauf der verlängerten
Laufzeiten säßen die Griechen auf einem noch höheren Schuldenberg.
«Griechenland hat das Programm umzusetzen. Sich auf Schuldenaufschub
oder Umstrukturierung zu konzentrieren, ist unangemessen.»
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