Minidemo vor dem Minigolf - Wie Urlauber die Schuldenkrise erleben Von Tobias Schormann, dpa

01.07.2011 13:46

Deutschland hat sich mit seiner Forderung nach einer harten
Sparpolitik bei den Griechen nicht gerade beliebt gemacht. Müssen das
jetzt die deutschen Urlauber ausbaden? Nein: In den Ferienorten ist
von Deutschenfeindlichkeit nichts zu spüren.

Rhodos-Stadt (dpa) - Krise? Welche Krise? Wer sich am Strand von
Faliraki auf der griechischen Insel Rhodos umschaut, könnte glatt
vergessen, dass dieses Land gerade erst haarscharf der Pleite
entronnen ist. Die Fernseher in den Bars zeigen keine Demonstranten,
sondern Fußball. Davor sitzen Urlauber vor großen Bierkrügen. «Feel
s
like Heaven» dröhnt aus den Boxen. Wie im Himmel dürften sich die
Griechen derzeit kaum fühlen. Die Urlauber bekommen das aber nicht zu
spüren.

Der Kontrast zu den Protesten in Athen könnte kaum größer sein: In

der Hauptstadt gab es Straßenschlachten, in den Ferienorten läuft das
Spaßprogramm weiter wie eh und je. Doch auch die Urlauber machen sich
Gedanken über die Schuldenkrise. Einige haben sich durchaus gefragt:
Kann man jetzt noch nach Griechenland fahren? «Uns haben gestern noch
Verwandte angerufen: Wollt ihr wirklich fahren?», erzählt Carl
Müller, der gerade angekommen ist. Die Bilder von den Krawallen in
Athen wirkten schließlich nicht gerade einladend. Ihn habe das nicht
abgeschreckt. «Wir kommen aus Berlin, da werden am 1. Mai auch Autos
angezündet, also was soll's?»

Mit brennenden Autos müssen Urlauber auf Rhodos nicht rechnen. «Es
ist wie bisher, als wär gar nichts gewesen», sagt Dieter Fuchs aus
Saarbrücken.

Nichts gewesen? Moment, war da nicht was? In Athen haben
Demonstranten doch Plakate mit Hakenkreuzen in den Händen gehabt -
eine Reaktion darauf, dass die deutschen Politiker von den Griechen
einen harten Sparkurs verlangt haben. Einen Sparkurs, unter dem viele
Griechen leiden werden. Heißt das nun, dass Deutsche in Griechenland
nicht mehr gern gesehen sind? «Überhaupt nicht», sagt Sandra Weber
aus Regensburg. «Wir werden bestens bedient», ergänzt Günther Sagen
er
aus Berlin. «Auch in den Geschäften sind die immer nett und
freundlich.» Ob er etwas von dem Streik mitbekommen hat? Ja, sagt er.
«Im Fernsehen.»

Geredet wird viel über das Thema. Die deutschen Urlauber schwanken
dabei zwischen Mitleid und Häme. In den Hotelanlagen, wo die
Touristen unter sich sind, äußern sich einige wenig schmeichelhaft
über ihre Gastgeber. Über deren «Schlamperei» ärgert sich Dieter

Fuchs und meint: «Es müsste was passieren in Griechenland.» Und
Adrian Vissers aus Worms findet: «Man muss schon selber gucken, dass
man sein Land am Laufen hält. Und da muss man eben mal selber sparen
und nicht immer erwarten, dass andere zahlen.» Er hat keine
Hemmungen, sich als Deutscher zu outen - «im Gegenteil», sagt er und
zieht etwas aus der Tasche: eine Deutschlandfahne. Günther Sagener
hat mehr Verständnis für die Proteste. «Weil das doch ein
unheimlicher Einschnitt in das Leben der Menschen ist.»

Ganz selten passiert es dann doch, dass die Proteste die Urlauber
erreichen. Dann bieten sich ihnen manchmal skurrile Bilder: Eine
Minidemo vor einem Minigolfplatz zum Beispiel. Da hätten alle ganz
verwundert geguckt, erzählt Frank Langer aus Eichenau bei München.
Ein kleiner Pulk Demonstranten marschierte an ihrer Hotelanlage
vorbei und skandierte Parolen auf Griechisch. Die Touristen blickten
sie verständnislos an. Der Pulk zog weiter durch Faliraki, wo sonst
tagsüber eine Bimmelbahn fährt und Urlauber neben der Hauptstraße
Minigolf spielen. Ein kurzer Moment, in dem Touristen den Ärger der
Griechen einmal zu Gesicht bekamen. Dann war der Spuk wieder vorbei.

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