EU beschließt «beispiellose» Iran-Sanktionen - Ölembargo ab Juli

23.01.2012 12:32

Im Atomstreit mit dem Iran greift die EU zu schmerzhaften Mitteln.
Erstmals ist auch die Wirtschaft betroffen. Für den Ölboykott gibt es
allerdings eine Schonfrist. Die US-Marine zeigt vor der iranischen
Küste Flagge.

Brüssel (dpa) - Mit einem Ölembargo und dem Einfrieren der Konten
der iranischen Zentralbank hat die Europäische Union die Gangart im
Atomstreit mit dem Iran deutlich verschärft. Spätestens ab 1. Juli
sollen die Öleinfuhren aus dem Iran gestoppt werden. Bis dahin können
noch laufende Öl-Bezugsverträge von den EU-Staaten abgewickelt
werden. Dies beschlossen die EU-Außenminister am Montag in Brüssel.
Die USA hatten ihre Verbündeten zu entsprechenden Schritten
aufgerufen. Vor der Küste des Iran passierte der US-Flugzeugträger
«Abraham Lincoln» im Konvoi unbehindert die Straße von Hormus
Richtung Persischer Golf.

Von einem «beispiellosen Sanktionspaket» sprach der britische
Außenminister William Hague. «Es geht darum, dass wir nicht
akzeptieren können, dass der Iran nach der Atombombe greift», sagte
der deutsche Außenminister Guido Westerwelle. «Und das ist nicht nur
eine Frage der Sicherheit für die Region, das ist eine Frage der
Sicherheit für die gesamte Welt. Und deswegen müssen wir beherzt
reagieren, das macht niemand gerne.» Die «Option eines nuklear
bewaffneten Irans» könne aber «nicht akzeptiert werden».

Die am Montag beschlossenen Sanktionen sind die bisher schärfsten
seit Beginn des Konflikts zwischen der internationalen Gemeinschaft
und der Regierung in Teheran um das Atomprogramm des Irans 2005.
Die USA wollen zusammen mit Europa die iranische Ölindustrie
schwächen, um Teheran zum Nachgeben im Atomstreit zu zwingen. Der
Iran bestreitet, an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten.

Die Sanktionen der EU zielen mit dem Ölembargo und dem Einfrieren
der Zentralbankkonten erstmals nicht direkt auf Teile des
Nuklearsektors, sondern auf die Wirtschaftskraft des Irans insgesamt.
Bis 1. Juli dürfen noch laufende Öl-Bezugsverträge von den EU-Staaten

abgewickelt werden. Italien darf auch darüber hinaus noch Öl
einführen, weil es dafür nichts an den Iran zahlt. Es handelt sich
bei den Lieferungen um die Bezahlung iranischer Schulden in Rom.

Die Konten der Zentralbank wurden zwar eingefroren, doch sollen
«legitime Geschäfte» weiterhin «unter strengen Kontrollen» mögl
ich
sein. Die Sanktionen gegen die Zentralbank sollten ebenso wie andere
Maßnahmen im EU-Amtsblatt vom (morgigen) Dienstag veröffentlicht
werden und damit in Kraft treten. Damit das Ölembargo für die
Importfirmen rechtsverbindlich wird, ist nach Angaben von
EU-Diplomaten noch ein offizieller Vorschlag der EU-Kommission nötig.

Die EU beschloss auch ein Einfuhrverbot für petrochemische
Produkte und ein Exportverbot für Ausrüstung des Ölsektors. Neue
Investitionen in Ölfirmen im Iran sind nicht mehr erlaubt. Außerdem
wurde gegen drei Personen ein Einreiseverbot und das Einfrieren des
Vermögens in der EU beschlossen. Acht Unternehmen oder Organisationen
kamen zusätzlich auf eine schwarze Liste von Firmen, mit denen keine
Geschäfte mehr gemacht werden dürfen. Damit erhöht sich die
Gesamtzahl der Einreiseverbote wegen des Atomprogramms auf 116. Die
Zahl der Unternehmen und Organisationen steigt auf 441.

Der Iran hatte 2010 an den gesamten Öleinfuhren der EU nur einen
Anteil von 5,7 Prozent. In einigen Staaten ist der Anteil jedoch
höher: Griechenland ist zu 25 Prozent, Italien zu 13 und Spanien zu
etwa 10 Prozent auf iranisches Öl angewiesen. Für den Iran ist die EU
gemeinsam mit China der größte Handelspartner. 90 Prozent der
Exporte aus dem Iran nach Europa sind Öl.

Der US-Flugzeugträger «Abraham Lincoln» lief trotz massiver
Drohungen aus dem Iran unbehindert in den Persischen Golf ein.
Zusammen mit britischen und französischen Kriegsschiffen passierte
die Trägergruppe die Meerenge von Hormus, wie das britische
Verteidigungsministerium am Montag mitteilte. Mit der Aktion habe man
«das bestehende internationale Bekenntnis, Durchfahrtrechte unter
internationalem Recht zu sichern» betonen wollen, hieß es.

Der Iran hatte gedroht, die Meerenge von Hormus für den
Schiffsverkehr - vor allem für die Erdöltanker für den Westen - zu
sperren. Washington wiederum drohte dem Iran für diesen Fall mit
militärischer Gewalt. Zusammen mit der «Carl Vinson» hat die US Navy

jetzt wieder zwei Flugzeugträger in der Region stationiert, nachdem
die «John Stennis» vor etwa zwei Wochen in den Pazifik verlegt worden
war. Teheran hatte die USA daraufhin gewarnt, keinen neuen
Flugzeugträger in den Golf zu schicken.

# dpa-Notizblock

## Internet
- [EU und Iran](http://dpaq.de/Zjz6I)
- [Factsheet zu Iran-Sanktionen](http://dpaq.de/3ayZN)
- [Hintergrundpapier zu Ministerrat-Sitzung](http://dpaq.de/dRuU5)
- [Handelsstatistik EU-Iran](http://dpaq.de/RELf6)
- [Öleinfuhren der EU](http://dpaq.de/ZH7yx)

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