Griechenland: Das teure Ringen um ein Euroland Von Jörn Bender und Marion Trimborn, dpa
23.01.2012 14:29
Frankfurt/Brüssel (dpa) - Griechenland steht trotz aller
Milliardenhilfen vor dem Abgrund. Das kleine Land am Rande der
Eurozone hält einen ganzen Kontinent in Atem. Warum wirft man die
Griechen nicht einfach aus der Währungsunion? Was würde das kosten
und wer müsste bezahlen? Fragen und Antworten:
Warum wirft man Griechenland nicht einfach aus dem Euro?
Das sehen die EU-Verträge nicht vor. Außerdem warnen Fachleute vor
solch einem Schritt: Die Griechen dürften in diesem Fall panisch ihre
Konten plündern und ihr Geld in Sicherheit bringen. Die Banken des
Landes würden zusammenbrechen und andere Institute im Ausland
mitreißen. Und: Mit der Drachme könnte Athen seine Schulden mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zurückbezahlen,
Gläubigern würde dann ein Totalausfall ihrer Forderungen drohen.
Wäre ein Austritt aus der Eurozone nicht günstiger?
Dagegen spricht, dass die Schuldenkrise die Finanzmärkte schon
jetzt extrem verunsichert. Würde Griechenland freiwillig oder auf
Druck die Währungsunion verlassen, droht der Staatengemeinschaft das
Auseinanderbrechen. Der Schock käme dem nach der Pleite der US-
Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 gleich. Zumindest
dürfte es für ebenfalls hoch verschuldete Eurostaaten wie Portugal
und Italien noch schwerer werden, wieder auf die Beine zu kommen.
«Investoren außerhalb Europas würden den Austritt Griechenlands aus
der Währungsgemeinschaft als Grund sehen, generell die Architektur
des Währungsraums infrage zu stellen», warnte der Chef der
Osteuropabank EBRD, Thomas Mirow, im «Handelsblatt».
Löst nicht der aktuell diskutierte Schuldenschnitt das Problem?
Wenn private Gläubiger wie Banken und Versicherer wie geplant auf
einen Teil ihrer Forderungen gegenüber Athen verzichten, würde
Griechenland sich vor allem Zeit kaufen. Der Schuldenberg des
Mittelmeerlandes - nach offiziellen Zahlen rund 352 Milliarden Euro
würde schrumpfen. Langfristig wird Griechenland aber nur wieder Tritt
fassen, wenn die Wirtschaft des Landes in Gang kommt. Das ist jedoch
nicht einfach für ein Land, das vor allem vom Tourismus und Produkten
wie Oliven, Feta und Wein lebt. «Griechenland konnte seit seinem
EU-Beitritt 1981 keine wettbewerbsfähigen Beschäftigungsstrukturen
entwickeln, es fehlen vor allem Arbeitsplätze mit hohen
Qualifikationsanforderungen», urteilen Ökonomen des Instituts für
Weltwirtschaft (IfW/Kiel) in einer Studie.
Welches Signal sendet die Beteiligung der privaten Gläubiger?
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann meint, der angestrebte
Schuldenschnitt werde Europa auch auf lange Sicht teuer zu stehen
kommen. Europäische Staatsanleihen seien bisher «mündelsicher»
gewesen, dieses Prinzip werde im Falle Griechenland verletzt. «Dafür
werden wir einen hohen Preis zahlen müssen, unter anderem in Form
höherer Zinsen, die Investoren von vielen Regierungen verlangen
werden», sagte Ackermann der dpa. Das Umfeld für die Finanzbranche
ist ohnehin schon unsicher. «Die Warnlampen sind tiefrot», sagte
jüngst der Vizepräsident des EU-Risikorats ESRB, Englands
Notenbankpräsident Mervyn King. Die Schuldenkrise sowie das mangelnde
Vertrauen untereinander setzen die Banken extrem unter Druck.
Ist Griechenland pleite, wenn nicht genug Gläubiger mitziehen?
Nicht zwangsläufig. So könnte die sogenannte Troika - Europäische
Zentralbank (EZB), Internationaler Währungsfonds (IWF) und
Europäische Union - offiziell erklären, die Beteiligung privater
Gläubiger reiche aus - egal wie hoch sie tatsächlich ausfällt. Auf
diese Weise könnte Griechenland weitere Hilfsmilliarden erhalten.
Was würde das für Deutschland bedeuten?
Werden die angepeilten 100 Milliarden Euro Gläubigerverzicht
verfehlt, kämen auf den IWF und die europäischen Partnerländer -
darunter auch Deutschland - wohl höhere Belastungen zu. Im Rahmen des
ersten Hilfspakets hat Berlin dem Land bisher Kredite von 15,15
Milliarden Euro gewährt und dafür rund 380 Millionen Euro Zinsen
erhalten. Erst wenn die öffentlichen Geldgeber den Geldhahn zudrehen,
droht Griechenland tatsächlich die Pleite - dann schauen auch
Kreditgeber in die Röhre. Die Kosten der Rettung blieben am
Steuerzahler hängen.
# dpa-Notizblock
## Internet
- [Mirow im «Handelsblatt»](http://dpaq.de/G2X1I)
- [IfW-Studie](http://dpaq.de/iAnIm)
## Orte
- [Institut für Weltwirtschaft](Düsternbrooker Weg 120, 24105 Kiel)