Russland will mit neuen Leitungen mehr Gas in die EU liefern Von Ulf Mauder, dpa

05.02.2012 15:35

Als Beitrag zur Energiesicherheit in Europa feierten Deutsche und
Russen die neue Ostsee-Pipeline Nord Stream im November. Doch nun
beklagen Energieunternehmen, dass mitten in der Extremkälte nicht
genug russisches Gas ankomme. Für Moskau ist die Schuldfrage geklärt.

Moskau (dpa) - Für Russlands «obersten Gasmanager» Wladimir Putin

liegt die Ursache für die Probleme bei den Energielieferungen an
Deutschland und andere EU-Länder auf der Hand. Ja, die
Energiegroßmacht müsse in der Extremkälte zuerst an den gestiegenen
Eigenbedarf denken und erst dann an die Kunden im Westen. Das betont
der Regierungschef bei einem Treffen mit der Spitze des
Staatskonzerns Gazprom. Aber dass Versorger in der EU Lieferkürzungen
bis zu 30 Prozent bei russischem Gas beklagen, zeige nur, wie nötig
neue Gasleitungen von Russland nach Westen seien, sagt Putin.

Die Gazprom-Führung gibt bei dem Treffen mit Putin erstmals zu,
nicht im gewünschten Umfang an den Westen liefern zu können.
Betroffen ist auch Deutschland als größer Gas-Abnehmer in der EU.
Eine Notlage bestehe allerdings nicht, weil die Speicher gut gefüllt
seien, betonen die Energieversorger. Tagelang hatte Gazprom jede
Schuld für die Kürzungen von sich gewiesen. Nun bestätigt die
Konzernleitung, dass die Lieferungen nur zeitweise um etwa zehn
Prozent gedrosselt worden und jetzt wieder auf Vertragsniveau seien.

Schuld an der Lage hätten diejenigen, die sich lange gegen die
Ostseepipeline Nord Stream gewehrt hätten, meint Putin. Die
Inbetriebnahme des ersten Strangs der Leitung feierten Deutsche und
Russen im vergangenen November in Lubmin als Beitrag zur
Energiesicherheit in Europa. Putin fehlte bei dem Festakt. Hätte es
keine Verzögerungen gegeben, sagt er nun, wäre längst schon der
zweite Strang der 1224 Kilometer langen Pipeline zwischen Russland
und Deutschland am Netz.

«Gazprom könnte schon neue Förderstätten erschlossen haben,
darunter auch in Bowanenkowskoje. Auch auf dem Stockman-Feld in der
Barentssee könnte das Unternehmen aktiver arbeiten. Ich bin sicher,
dass es dann solche Probleme nicht gegeben hätte», sagt Putin. Er
hatte unlängst vorgeschlagen, entlang der Nord-Stream-Leitung weitere
Stränge verlegen zu lassen. Im Dezember soll drei Monate früher als
geplant die South-Stream-Leitung in den Bau gehen.

Russland will bei Bedarf seinen Gasexport in die EU von derzeit
etwa 125 Milliarden Kubikmeter bis 2020 auf 200 Milliarden Kubikmeter
erhöhen können. Doch vorerst muss der größte Gasförderer und
-Exporteur der Welt passen. Es gebe technische Grenzen, teilt die
Gazprom-Spitze beim Treffen mit Putin mit. Allein die Gasförderung
von Gazprom sei auf ein Maximum von 1,6 Milliarden Kubikmeter am Tag
gestiegen. Zudem würden noch die Speicher angezapft.

Der Grund ist der seit Tagen herrschende Extremfrost mit bisweilen
um die minus 50 Grad in Sibirien und im äußersten Osten. Deshalb ist
der Gasverbrauch im größten Land der Erde erstmals überhaupt auf mehr

als zwei Milliarden Kubikmeter am Tag gestiegen. Das seien 300 bis
400 Millionen Kubikmeter mehr als normal, heißt es.

Wegen des Megafrosts sei die Gasförderung gestiegen, hatte
Konzernvize Alexander Medwedew mehrfach erklärt, als der Westen
Kürzungen beklagte. Einmal mehr lenkte er den Blick auf die Ukraine,
das wichtigste Transitland in die EU. Die Ex-Sowjetrepublik sieht
sich immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, illegal russisches Gas
abzuzapfen. Auch die Ukraine, die stets zu hohe Preise für russisches
Gas kritisiert, hat angesichts von Temperaturen von gebietsweise um
die minus 30 Grad Celsius einen Rekordverbrauch.

Doch auch am Wochenende weisen der ukrainischen Energieversorger
Naftogas sowie die Regierung in Kiew Vorwürfe zurück, sie würden mehr

entnehmen als vereinbart. Die Ukraine sei sogar bereit, aus eigenen
Speichern die russischen Lieferzusagen an den Westen abzusichern. Das
sind ungewohnt freundliche Worte, nachdem Kiew und Moskau zuletzt
2009 einen «Gas-Krieg» ausgefochten hatten. Damals blieben auch in
der EU viele Wohnungen kalt, als Russland den Gashahn im Streit um
den Preis ganz abgedreht hatte.

Und am Rande der Sicherheitskonferenz in München spricht sich
Kiews Präsident Viktor Janukowitsch russischen Agenturen zufolge
dafür aus, das nur zu zwei Dritteln genutzte Pipelinenetz der Ukraine
für den Transit zu modernisieren. An einem Pipeline-Konsortium, um
das marode Transitnetz auf Vordermann zu bringen, hat auch Putin
immer wieder Interesse gezeigt.

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