(Zusammenfassung 1430) Ungarn rechnet mit Abbruch des EU-Defizitstrafverfahrens (Mit Bild)

17.03.2012 14:35

Berlin (dpa) - Im Streit mit der EU um das ungarische
Haushaltsdefizit rechnet Budapest mit einem Abbruch des laufenden
Defizitstrafverfahrens. » Die Regierung habe die «grundsätzlich
richtigen Entscheidungen bereits getroffen», sagte der Staatsminister
im Außenministerium, Zsolt Nemeth, der «Berliner Zeitung» (Samstag).

Nötig seien allenfalls noch kleinere Korrekturen. Nach seiner
Überzeugung werde auch die EU zu diesem Ergebnis kommen und das
Strafverfahren gegen Ungarn abbrechen. Auf dem Spiel stehen für
Ungarn 495 Millionen Euro, 29 Prozent der für 2013 vorgesehenen
Fördergelder.

Die EU-Finanzminister hatten am Dienstag Ungarn als Strafe für
seine unsolide Haushaltspolitik das Geld entzogen. Die Mittel sollen
vom 1. Januar 2013 an eingefroren werden. Damit verliert Ungarn als
erstes EU-Land wegen eines zu hohen Defizits Geld aus dem sogenannten
Kohäsionsfonds, mit dem vor allem Umwelt- und Verkehrsprojekte
finanziert werden sollten. EU-Währungskommissar Olli Rehn hatte
gesagt: «Dies ist ein deutlicher Anreiz für Ungarn, eine nachhaltige
und gesunde Haushaltspolitik zu verfolgen.»

Parallel wurde indes das gebeutelte Euro-Land Spanien für
angeschobene Reformen belohnt und darf in diesem Jahr mehr neue
Schulden machen als ursprünglich erlaubt. Ungarn fühlt sich deswegen
ungerecht behandelt. «Die EU sollte es vermeiden, mit zweierlei Maß
zu messen», sagte Nemeth. Auch unter den EU-Ministern waren die
Daumenschrauben für Budapest unmstritten. So hatte Österreichs
Ressortchefin Maria Fekter den Schritt kritisiert und mit Blick auf
Spanien ebenfalls von «zweierlei Maß» gesprochen.

Ungarn kann die Strafe noch abwenden - wenn es bis September neue
Sparmaßnahmen vorlegt. Schon am 22. Juni wollen die Finanzminister
erneut über die Lage beraten - und das Aussetzen der Gelder wieder
aufheben, sollten die Bedingungen erfüllt werden. Ungarn unternimmt
nach Ansicht der EU-Partner zu wenig, um sein Haushaltsloch in den
Griff zu bekommen. Die Regierung konnte das Defizit 2011 nicht
entsprechend der EU-Empfehlungen unter den Wert von 3,0 Prozent des
Bruttoinlandsproduktes senken - es verharrt nach EU-Berechnungen bei
6,0 Prozent. Seit seinem EU-Beitritt im Jahr 2004 hält Budapest die
Maastricht-Obergrenze nicht ein.

Allerdings interpretiert die Regierung des Landes ihre
Defizitzahlen anders: «Das Staatsdefizit lag 2011 unter den
geforderten drei Prozent, es wird 2012 darunter liegen und auch
2013», wird Nemeth von der «Berliner Zeitung» zitiert. Die EU steht
dagegen auf dem Standpunkt, Ungarn habe sein Defizit nur mit
Einmalmaßnahmen vermindert und damit gegen EU-Vorgaben verstoßen.

Die EU erhöht mit diesem Beschluss den Druck auf Ungarn. Mit der
Regierung in Budapest gibt es zudem Streit um die Wahrung der
Grundrechte. Die EU-Kommission sieht die Unabhängigkeit der
Nationalbank sowie der Justiz gefährdet und hat
Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. Brüssel
verlangt von der Regierung Gesetzesänderungen. Dem Land droht
außerdem akut der Staatsbankrott. Deswegen bemüht sich Budapest seit
Monaten um einen neuen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF)
und der EU. Die Gespräche liegen aber auf Eis.

# dpa-Notizblock