(dpa-Interview - Drei Fragen, drei Antworten) Zypern wird EU-Ratspräsident: Wachstum, Jobs und die Türkei Interview: Takis Tsafos und Christine Pirovolakis, dpa (Mit Bild)

24.06.2012 10:31

Ab Juli führt Zypern die EU. Das Land ist schwer gezeichnet von der
Schuldenkrise. Jetzt kann es eigene Schwerpunkte in Europa setzen.
Außenministerin Kozakou-Markoulli sagt dpa, worauf es ihr ankommt.

Nikosia (dpa) - Zypern als EU-Ratspräsident: Das bringt den Streit
mit der Türkei über die geteilte Insel wieder auf den Tisch. Dessen
ungeachtet will das kleine Land eigene politische Schwerpunkte in der
Union setzen. Es gelte, das «verborgene Potenzial für Wachstum» zu
finden und Arbeitsplätze zu schaffen, sagt Außenministerin Erato
Kozakou-Markoulli im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Die erste EU-Ratspräsidentschaft Zyperns kommt in einem Moment, da
Europa in einer der größten Krisen seiner Geschichte steckt. Was kann
Zypern zu einer Lösung beitragen?

Kozakou-Markoulli: «Eine der Herausforderungen, denen sich die
zyprische Präsidentschaft wird stellen müssen, ist die andauernde
Wirtschaftskrise. Die zyprische Präsidentschaft ist aufgefordert, die
Bemühungen um machbare Lösungen fortzusetzen. Der Ansatz für die
Erholung der europäischen Volkswirtschaften sollte sowohl einen
Konsolidierungskurs als auch nachhaltige Maßnahmen für
Wirtschaftswachstum umfassen.

Für die Erholung von der Krise ist es extrem wichtig, dass die EU
Maßnahmen ergreift, die Wachstum ankurbeln und Beschäftigungschancen
schaffen. Deshalb wird die zyprische Präsidentschaft Programme
voranbringen, die Wachstum fördern und zu Effizienz, Wohlstand und
Arbeitsplätzen führen. Wesentlich ist, dass sich die Lebensqualität
der Bürger der Union verbessert. Das Ziel sollte sein, das verborgene
Potenzial für Wachstum in all den Aktivitäten der EU zu finden und es
zu nutzen.»

Zypern hat selbst mit einer ernsten Krise zu kämpfen, hauptsächlich
im Bankensektor. Wie soll verhinderte werden, dass Zypern - wie
andere Mittelmeerstaaten - ins Trudeln gerät?

Kozakou-Markoulli: «Höchste Priorität hat für die Regierung, die

Auswirkungen (der Griechenlandkrise) auf den (zyprischen)
Finanzsektor, den Rekapitalisierungsbedarf der Banken und die
steigenden Arbeitslosenzahlen anzugehen. Die EU-Kommission und unsere
Partner in der EU haben diese Schritte begrüßt.

In Einklang mit den Prognosen der EU-Kommission für 2012 bis 2013
werden die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen dazu führen, das
Haushaltsdefizit von 6,4 Prozent des BIP (Bruttoinlandsprodukt) im
Jahr 2011 auf 3,4 Prozent bis Ende 2012 und auf 2,5 Prozent 2013 zu
reduzieren. Das deutet auf ein schwaches, aber sich verbesserndes
Verbraucher- und Geschäftsklima hin; die Erholung kann für die zweite
Hälfte 2012 angesetzt werden. Zypern ist entschlossen, alles zu
unternehmen, um eine dauerhafte Korrektur des übermäßigen Defizits zu

erreichen.»

Die Republik Zypern wird von der Türkei nicht anerkannt. Mehr als ein
Drittel des Bodens Zyperns ist seit 1974 von türkischen Truppen
besetzt - eine heikle Situation. Wie will Nikosia damit umgehen?

Kozakou-Markoulli: «Es ist bedauerlich, dass die türkische
Regierung ihre Absicht erklärt hat, nichts mit der zyprischen
Präsidentschaft zu tun zu haben. Diese Haltung ist beleidigend und
provokant nicht nur gegenüber Zypern, sondern auch gegenüber der
gesamten EU. Wir erwarten und fordern von der Türkei, einem
EU-Beitrittskandidaten, die Rolle der Ratspräsidentschaft zu achten;
immerhin ist sie ein zentrales institutionelles Merkmal der EU.

Der Rat der Europäischen Union hat diese Verpflichtung der Türkei
in seinen Schlussfolgerungen im Dezember 2011 bestätigt. Darin haben
die Staats- und Regierungschefs der EU ihr Bedauern ausgedrückt und
die Türkei aufgerufen, ihre Position zu überdenken. Wir werden nicht
zulassen, dass die türkischen Provokationen und Drohungen die
zyprische Präsidentschaft beeinflussen (...). Wir fordern von der
Türkei, verantwortungsvoll zu handeln und von Aktionen abzusehen, die
die Ratspräsidentschaft hemmen.

Zypern und seine Menschen müssen wiedervereint werden.
Wiedervereinigung bleibt unser Ziel und unsere Vision und wir werden
unsere Bemühungen fortsetzen, bis es gelingt.»

# dpa-Notizblock

## Redaktioneller Hinweis
- Das Interview wurde auf Englisch geführt.
- Zu dem Thema sendet dpa einen Korr-Bericht und einen Hintergrund

## Orte
- [Interview](Nikosia, Zypern)

## Internet
- [Zypern Präsidentschafts-Site](http://dpaq.de/ItATW)