EU-Forschungsratschefin: Bei Kürzungen droht Europa «düstere Zukunft » Gespräch: Wolf von Dewitz, dpa

17.11.2012 04:03

Das EU-Forschungsprogramm Horizon 2020 sollte zum Flaggschiff für ein
innovatives Europa werden. Doch im Ringen um die EU-Finanzen droht
den hohen Budgetwünschen eine Bruchlandung. EU-Forschungsratschefin
Helga Nowotny warnt vor düsteren Zeiten für Europas Wissenschaft.

Brüssel (dpa) - Vor dem Sondergipfel zum künftigen
EU-Finanzrahmen schrillen unter Europas Wissenschaftlern die
Alarmglocken. Die Präsidentin des Europäischen Forschungsrats, Helga
Nowotny, äußerte ihre große Sorge vor massiven Kürzungen im
EU-Forschungsetat. «Wenn wir uns nicht auf das besinnen, was unser
wissenschaftliches Erbe ist und wenn wir unsere Intelligenz nicht gut
einsetzen, dann wird unsere Zukunft düster aussehen», sagte Nowotny
im Interview mit dem Informationsdienst dpa Insight EU in Brüssel.
Mehr Geld für Europas Forschungslandschaft sei nötig, um im globalen
Wettbewerb mit China und anderen Regionen mithalten zu können.

Die Österreicherin Nowotny verwies auf eine Kampagne von etwa 40
Nobelpreisträgern, die in einem offenen Brief vor Einschnitten im
Forschungsbereich gewarnt hatten. Europas Staats- und Regierungschefs
wollen Ende der Woche bei einem Sondergipfel in Brüssel über den
EU-Finanzrahmen für die kommenden Jahre beraten.

Für das siebenjährige Innovations- und Forschungsprogramm Horizon
2020 plant die EU-Kommission bisher 80 Milliarden Euro ein. Das
bisherige Forschungsrahmenprogramm hat ein Budget von rund 50
Milliarden Euro, aber auch weniger Zuständigkeiten. In der Debatte um
Kürzungen im EU-Gesamtbudget waren im Rat zuletzt Forderungen laut
geworden, die Forschungsmittel fast zu halbieren und dafür Agrar- und
Strukturmittel zu schonen. Das bereitet Nowotny große Sorge: «Wenn
weniger Geld hineinkommt in die EU-Töpfe, wird es die Forschung
überproportional treffen.» Das müsse vermieden werden.

Nowotny plädierte dafür, künftig einen festen Prozentsatz aller
EU-Strukturmittel gezielt für die Forschungsinfrastruktur
einzusetzen, etwa für neue Universitätsgebäude. Das könnte besonder
s
Forschungsinstituten in Osteuropa zugutekommen, die im
gesamteuropäischen Vergleich bisher hinterherhinken. Mehr
EU-Strukturmittel für die Forschungslandschaft wären ein gutes
Gegenmittel gegen das Abwandern junger Talente aus Osteuropa.

Der 2007 gegründete Europäische Forschungsrat vergibt Stipendien
an Wissenschaftler, die in Europa oder Israel forschen. Die
Kommission will die Mittel für den Forschungsrat auf gut 13
Milliarden Euro im Zeitraum 2014 bis 2020 fast verdoppeln -
diesem Vorhaben drohen nun aber die Staats- und Regierungschefs mit
dem Rotstift einen Strich durch die Rechnung zu machen.