Debatte über Zuwanderung wird schärfer - Warnung vor Panikmache

03.03.2013 12:37

Die meisten Deutschen denken so: Die Zuwanderung vor allem von Sinti
und Roma soll begrenzt werden. Innenminister Friedrich macht sich die
Forderung zu eigen. Experten warnen vor Hysterie.

Berlin (dpa) - Die Diskussion über den Zustrom sogenannter
Armutsflüchtlinge aus Südosteuropa nach Deutschland wird schärfer.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will notfalls mit
einem Veto in Brüssel den Wegfall der Grenzkontrollen für Bulgarien
und Rumänien verhindern. Der Präsident des Ifo-Wirtschaftsinstituts,
Hans Werner Sinn, forderte, Zuwanderung «einen Riegel vorzuschieben».
Dagegen warnte der Migrationsforscher Klaus Bade vor «Panikmache».
Zwei Drittel aller Deutschen wollen die Zuwanderung aus EU-Ländern
laut einer Umfrage beschränken. Im Mittelpunkt der Debatte stehen
Sinti und Roma.

Die europäischen Innenminister wollen an diesem Donnerstag über
die bereits mehrfach verschobene Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in
den von Grenzkontrollen freien Schengen-Raum entscheiden. Friedrich
ist strikt dagegen. Er kündigte im «Spiegel» zugleich weitere
Schritte gegen die Einwanderung aus beiden Ländern an. «Wer aber nur
kommt, um Sozialleistungen zu kassieren, und das Freizügigkeitsrecht
missbraucht, der muss wirksam davon abgehalten werden», sagte der
CSU-Politiker.

Sinn schrieb in einem Beitrag für die «Wirtschaftswoche», die
Freizügigkeitsrichtlinie der EU müsse dringend novelliert werden.
Unter bestimmten Bedingungen lägen die Sozialleistungen in
Deutschland «bei etwa dem Zwei- bis Dreifachen des Durchschnittlohns
in Rumänien oder Bulgarien». Die dadurch motivierte Migration werde
«unweigerlich zur Erosion des deutschen Sozialstaates führen».

Der Migrationsforscher Bade warnte dagegen vor hysterischen
Reaktionen auf den Zuzug von Roma aus Südosteuropa. Zugleich wies er
den Eindruck zurück, Deutschland erlebe zurzeit eine massenhafte
Armutszuwanderung. «Das ist wieder der Appell, eine negative
Koalition der Abwehr statt eine positive Koalition der Gestaltung zu
schaffen», sagte Bade der Nachrichtenagentur dpa weiter.

Kritik übte Bade an Friedrichs Forderung, Städte und Kommunen
sollten ihre Kontrollen verschärfen. «Sie schürt in der Bevölkerung

fahrlässig eine Abwehrhaltung gegen unerwünschte Zuwanderung, die man
aber nicht einfach verbieten kann.» Zudem werde nicht berücksichtigt,
dass rund 80 Prozent der zwischen 2007 und 2010 zugewanderten
Bulgaren und Rumänen sozialversicherungspflichtig auf dem ersten
Arbeitsmarkt beschäftigt seien, sagte der Experte.

Der Verband der Deutschen Sinti und Roma klagt unterdessen über
anhaltende Vorurteile in Deutschland. «Immer wenn über uns im
Zusammenhang mit Armut, Kriminalität oder Prostitution geredet wird,
sieht man uns als einheitliche Gruppe», sagte der Vorsitzende in
Rheinland-Pfalz, Jacques Delfeld, der dpa. «Dass die meisten Sinti
und Roma hier deutsche Staatsbürger und überhaupt nicht arm sind,
spielt keine Rolle.»

Nach einer Emnid-Umfrage für das Nachrichtenmagazin «Focus»
sprachen sich nur 27 Prozent dafür aus, dass alle EU-Bürger nach
Deutschland einwandern dürfen. 28 Prozent wollen die Einwanderung aus
bestimmten EU-Staaten begrenzen. 41 Prozent plädierten dafür,
generell für Zuwanderer aus allen EU-Staaten Beschränkungen
einzuführen. TNS-Emnid befragte Ende Februar 1004 Personen.