Ashton empfiehlt EU stärkeres Engagement mit der Türkei

12.06.2013 16:55

Soll die EU die Kontakte zur Türkei verstärken, um angesichts der
Gewalt gegen Oppositionelle Einfluss zu nehmen? Oder den Kontakt
abbrechen, um die Regierung zu bestrafen? Die Frage ist heftig
umstritten.

Straßburg (dpa) - Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hat die
Europäische Union angesichts der Unruhen in Istanbul davor gewarnt,
auf Distanz zur Türkei zu gehen. «Dies ist nicht der Moment, sich zu
lösen, sondern sich noch stärker zu engagieren», sagte sie am
Mittwoch im Europaparlament in Straßburg. «Unsere Beziehung zur
Türkei gibt uns eine wirkliche Möglichkeit zum Einfluss, wenn wir sie
nutzen. Wir müssen das Beste aus allen Werkzeugen machen, die uns zur
Verfügung stehen.»

Ebenso wie Ashton kritisierten auch Abgeordnete der großen
Fraktionen den Einsatz der türkischen Polizei gegen Demonstranten auf
dem Taksim-Platz in Istanbul und in anderen Städten. «Wir haben zu
viel übermäßige Polizeigewalt gesehen», sagte Ashton. Die
Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. «Das
Vorgehen der Polizei ist ein großer Grund zur Sorge.» Die
EU-Außenbeauftragte kritisierte auch die Einschränkungen der Presse-
und Meinungsfreiheit. «Soziale Netzwerke sollten nicht vor allem als
Quelle von Problemen gesehen werden.

Ashton sagte, die EU solle sich mit der Türkei bei den
Beitrittsverhandlungen stärker bei jenen Verhandlungskapiteln
engagieren, die wichtig für die Reformpolitik seien. «Für mich ist
klar, dass es noch wichtiger ist, sich mit der Türkei zu
beschäftigen.»

Abgeordnete des Parlaments warnten jedoch davor, wie bisher von
der irischen Ratspräsidentschaft geplant noch im Juni bei den
Verhandlungen mit der Türkei über einen EU-Beitritt ein neues
Verhandlungskapitel - und zwar über Regionalpolitik - zu eröffnen.
«Heute ist nicht der Tag, wo wir über ein Kapitel reden. Das ist
nicht das Thema. Jetzt müssen erst einmal die Verhafteten, die
Menschen freigelassen werden, jetzt geht es um politischen Wandel»,
sagte der Liberale Alexander Graf Lambsdorff.

«Wenn wir jetzt ein neues Kapitel eröffnen, ist das eine
Beleidigung für die Menschen, die jetzt ins Gefängnis gekommen sind»,

sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Elmar Brok (CDU).
«Das muss man ein bisschen verschieben.» Von den insgesamt 35
Verhandlungsbereichen sind bisher 13 eröffnet worden. Seit Juni 2010
stagnieren die Beitrittsverhandlungen mit Ankara.

«Es gibt einen Platz für die Türkei in Europa, wenn sie die
europäischen Werte und Prinzipien, Redefreiheit und wirkliche
Demokratie anwendet», sagte der Fraktionsvorsitzende der Liberalen,
der belgische Ex-Regierungschef Guy Verhoftstadt. «Ich unterstütze
die Türkei, aber keine Türkei, die Europa den Rücken zuwendet.»