Erfolgreich, ehrgeizig: Emily O'Reilly neue EU-Bürgerbeauftragte Von Dieter Ebeling, dpa

30.09.2013 09:09

Wo kann man sich über die EU beschweren? Hier, beim
EU-Bürgerbeauftragten: Bisher kannten ihn nur wenige. Aber das könnte
sich bald ändern.

Brüssel (dpa) - Zu einem Prominenten der Europäischen Union ist
Nikiforos Diamandouros (71) in den zehn Jahren seines bisherigen
Wirkens nicht geworden. Der zurückhaltende Politikwissenschaftler aus
Griechenland, bisher Bürgerbeauftragter oder Ombudsman der EU,
verlässt seinen Posten knapp ein Jahr vor dem Ende der offiziellen
Amtszeit. Er hat ganz einfach genug. Aber es sieht so aus, als sei es
bald mit der Stille in der knapp 70 Beamte zählenden Behörde vorbei.
Denn am 1. Oktober kommt Emily O'Reilly.

Die 56 Jahre alte Irin, vom Pressesprecher des früheren irischen
Regierungschefs Charles Haughey mit dem ihr immer noch anhängenden
Spitznamen «der blonde Ehrgeiz» belegt, hatte schon vor der Wahl
durch die Abgeordneten des Europaparlaments aus ihren Ambitionen
keinen Hehl gemacht. «Unter meiner Führung wird das Amt sichtbarer
und wichtiger werden», kündigte sie an. «Ich werde das Amt auf ein
neues Niveau führen, wenn es sich zu einem noch mächtigeren Wächter
der Rechte der EU-Bürger entwickelt», ließ sie die Abgeordneten
vollmundig per Videobotschaft wissen.

Dass O'Reilly in Irland bekannt ist, liegt nicht nur daran, dass
sie in den vergangenen zehn Jahren die Bürgerbeauftragte des Landes
war - und eine sehr erfolgreiche und angesehene noch dazu. Zuvor war
sie eine der prominentesten Journalistinnen auf der grünen Insel
gewesen - Reporterin, Politikchefin bei Zeitungen, Radiomoderatorin,
Buchautorin.

Sie sei damals in der Medienbranche als «zu gebieterisch, zu gut
bezahlt, zu gut aussehend und zu erfolgreich» betrachtet worden,
schrieb die Zeitung «Business Post». Dort hatte O'Reilly einst auch
gearbeitet - und dort wurde sie wegen ihres bestimmenden Auftretens
«die Herzogin» genannt. Sie sei aber «fraglos eine der besten
Journalistinnen ihrer Generation» gewesen, erinnert man sich.

Die in einer katholischen Schule groß gewordene O'Reilly vertrat
später in heißen irischen Streitfragen wie Scheidung,
Empfängnisverhütung und Abtreibung liberale Positionen. Und mit einem
Buch über die Vordenker der Rechten («Masterminds Of The Right»), in

dem es um konservative katholische Netzwerke in der irischen Politik
ging, machte sie sich manche Feinde.

O'Reillys Freunde meinen, die öffentliche Kritik an Ehrgeiz und
Selbstbewusstsein der Bürgerbeauftragten habe möglicherweise vor
allem damit zu tun, dass sie eine zielstrebige und effiziente Frau
sei, die Männern Angst machen könne. Tatsächlich habe die Mutter von

vier Töchtern und einem Sohn in ihrem Job ausgezeichnete Arbeit
geleistet. «Sie ist mutig im besten Sinne des Wortes», ließ sich
Jura-Professor Donncha O'Connell aus Galway zitieren. O'Reilly
selbst, die in Irland die männliche Berufsbezeichnung Ombudsman
führte, sagt: «Ich habe erfolgreich mit Energie, Hingabe und
Kreativität ein unabhängiges Amt geleitet.»

In Brüssel übernimmt sie einen Posten, der mit einem Grundgehalt
von 240 000 Euro pro Jahr ausgestattet ist - mit Zulagen und anderen
Zahlungen kostet sie den Steuerzahler 370 000 Euro. Zuständig ist sie
für Beschwerden über die Arbeit der EU-Institutionen, nicht über die

Anwendung von EU-Recht durch nationale Stellen. Im vergangenen Jahr
gingen bei ihrem Vorgänger Diamandouros 2442 Beschwerden ein, von
denen nur 740 in seine Zuständigkeit fielen. Von 390 abgeschlossenen
Untersuchungen kam man bei knapp 200 zum Ergebnis, weitere
Untersuchungen seien nicht gerechtfertigt. In 76 Fällen fand der
Ombudsmann keine Missstände. In 80 Fällen lenkte die Verwaltung ein
und 56 Fälle wurden als «Missstände in der Verwaltung» klassifizier
t.

Vor allem beim Zugang zu Daten und Informationen hat Diamandouros
in den vergangenen zahn Jahren für die Bürger manche Bresche in
Mauern des Schweigens geschlagen, mit denen sich EU-Behörden
gelegentlich umgeben. Sie werde sich mit «knackigen Themen» befassen,
weil die EU im täglichen Leben der Bürger eine immer größere Rolle

spiele, kündigte O'Reilly an. Manchen Bürokraten mag das schon wie
eine Drohung geklungen haben.