EU bereitet neue Sanktionen gegen Russland vor

18.02.2021 14:12

In der EU macht sich kaum mehr jemand Hoffnung, dass der
Kremlkritiker Alexej Nawalny in naher Zukunft aus dem Gefängnis
kommt. Nun wird in Brüssel an einer Antwort gearbeitet.

Brüssel (dpa) - In der EU zeichnet sich angesichts der jüngsten
Entwicklungen im Fall Nawalny eine klare Unterstützung für neue
Russland-Sanktionen ab. Wie Diplomaten am Donnerstag nach Beratungen
in Brüssel berichteten, ist derzeit kein Widerstand einzelner Staaten
gegen weitere Strafmaßnahmen ersichtlich.

Die EU-Außenminister werden demnach vermutlich bei einem Treffen an
diesem Montag den Auswärtigen Dienst auffordern, eine Liste mit
Personen und Organisationen vorzulegen, die mit Einreiseverboten und
Vermögenssperren belegt werden können. Im Idealfall könnten die
Sanktionen dann in den nächsten Wochen in Kraft treten, hieß es.

Gründe für die Sanktionsvorbereitungen sind die Verurteilung des
Kremlkritikers Alexej Nawalny zur Verbüßung einer früheren Strafe von

dreieinhalb Jahren Haft und das oft brutale Vorgehen der russischen
Behörden gegen Proteste von Anhängern Nawalnys. Nach Auffassung der
Mitgliedstaaten ist das Urteil politisch motiviert und steht im
Widerspruch zu den internationalen Menschenrechtsverpflichtungen
Russlands.

Nawalny war Anfang Februar in Russland verurteilt worden, weil er aus
Sicht der Richterin mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem
früheren Strafverfahren von 2014 wegen Betrugs und Veruntreuung von
Geldern verstoßen hat. Der Oppositionspolitiker hatte sich im Januar
zur Rückkehr in seine Heimat entschieden, obwohl er dort im
vergangenen August Opfer eines Anschlags mit dem als Chemiewaffe
verbotenen Nervengift Nowitschok geworden war. Er war dann bei seiner
Ankunft festgenommen worden.

Wegen des Anschlags auf Nawalny, der danach in Deutschland behandelt
wurde, hatte die EU bereits im vergangenen Jahr Einreise- und
Vermögenssperren gegen mutmaßliche Verantwortliche aus dem Umfeld von
Präsident Wladimir Putin verhängt. In Brüssel wird davon ausgegangen,

dass staatliche Stellen in Russland hinter dem Attentat stehen.

Die neuen EU-Sanktionen könnten zum Beispiel Verantwortliche aus dem
russischen Justizapparat treffen. Dass Oligarchen und andere
vermögende Unterstützer von Putin ins Visier genommen werden, gilt
hingegen als unwahrscheinlich, weil manche EU-Staaten fürchten, dass
Strafmaßnahmen gegen sie einer Überprüfung durch den Europäischen
Gerichtshof nicht standhalten könnten.

Der Kreml wies Forderungen nach einer Freilassung Nawalnys am
Donnerstag erneut als «unrechtmäßig» zurück. Ein entsprechender
Aufruf des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei «ein sehr

ernsthafter Versuch der Einmischung in innerrussische
Justizangelegenheiten», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur
Interfax zufolge.

Der Gerichtshof in Straßburg hatte Russland am Mittwoch aufgefordert,
Nawalny unverzüglich freizulassen. Das Gericht gab damit einem Antrag
Nawalnys auf einstweilige Maßnahmen statt und verwies darauf, dass
diese verbindlich seien. Russland wiederum beruft sich auf seine neue
Verfassung, die nationale Interessen über internationales Recht
stellt.