EU: Moskau kein strategischer Partner mehr - G20-Ausschluss möglich

02.09.2014 17:03

Moskau gerät in der Ukraine-Krise zunehmend ins Abseits. Die EU berät
über neue Sanktionen, Australien will Kremlchef Putin vom G20-Gipfel
ausladen. Und Kiew bekämpft die prorussischen Separatisten.

Moskau/Kiew (dpa) - Russland stößt mit seinem Kurs in der
Ukraine-Krise im Westen auf immer härteren Widerstand. Die
EU-Kommission will an diesem Mittwoch neue Sanktionen gegen Moskau
vorschlagen, über die bis Ende der Woche entschieden werden soll, wie
die designierte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Dienstag in
Brüssel sagte. Australien schlägt vor, Kremlchef Wladimir Putin vom
G20-Gipfel im November in Brisbane auszuschließen. Russlands
Außenminister Sergej Lawrow kritisierte dies scharf.

Russland sei für die EU kein «strategischer Partner» mehr, sagte di
e
italienische Außenministerin Mogherini. «Ich wünschte mir, dass es in

der Zukunft wieder ein strategischer Partner wird.» Die Staats- und
Regierungschefs hatten am Samstag in Brüssel beschlossen, dass die
EU wegen des Einsatzes regulärer russischer Truppen im Osten der
Ukraine ihre Wirtschaftssanktionen gegen Moskau verschärfen wird.

Auch US-Präsident Barack Obama will bei einem Besuch in Estland an
diesem Mittwoch ein Signal der Stärke an Russland senden. Die
baltischen Staaten fürchten eine zunehmen aggressivere Politik
Moskaus. Obama reist dann zum Nato-Gipfel nach Wales weiter.

Australiens Handelsminister Andrew Robb sagte, seine Regierung wolle
die Staats- und Regierungschefs der Gruppe der 20 führenden
Wirtschaftsnationen (G20) davon überzeugen, Präsident Putin von dem
Gipfel in Brisbane auszuladen. Australien will auch seine Sanktionen
gegen Russland ausweiten. Russlands Außenminister Lawrow bezeichnete
dies als «völlig unseriös».

Russlands Militär spürt inzwischen die bereits verhängten
europäischen Sanktionen. Ein Gefechtsübungszentrum konnte nicht wie
geplant am 1. September in Betrieb genommen werden. Ein
Militärsprecher sagte der Agentur Interfax zufolge, wegen des
Ausfuhrstopps der Bundesregierung sei Ersatz für noch fehlende
Schießsimulatoren und Computer von Rheinmetall schwer zu beschaffen.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte im März als
Reaktion auf die Ukraine-Krise ein Geschäft des Rüstungskonzerns
Rheinmetall mit Russland bis auf weiteres gestoppt.

Bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten
in der Ostukraine seien innerhalb von 24 Stunden 15 Soldaten getötet
und 49 verletzt worden, teilte der Sicherheitsrat in Kiew mit. Einige
verletzte ukrainische Soldaten wurden nun von der Bundeswehr nach
Deutschland ausgeflogen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte
zudem eine Lieferung mit medizinischer Ausrüstung, Feldlazaretten und
Schutzwesten an.

Das ukrainische Parlament will an diesem Mittwoch über die
militärische Strategie der Regierung in der Ostukraine beraten.
Spekuliert wird über eine Entlassung von Verteidigungsminister Waleri
Geletej. Präsident Petro Poroschenko hatte am Montag gesagt, er wolle
nach Misserfolgen bei der «Anti-Terror-Operation» Führungsposten in
der Armee neu besetzen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte eine politische Beilegung des
Konflikts. «Es gibt in diesem Fall keine militärische Lösung. Es
sollte ein politischer Dialog für eine politische Lösung geführt
werden, das ist der nachhaltigere Weg», sagte Ban in Neuseeland. Auch
der lettische Staatspräsident Andris Berzins und Regierungschefin
Laimdota Straujuma warben im lettischen Fernsehen für eine
diplomatische Lösung.

Zuletzt hatte eine angebliche Äußerung Putins Sorgen um eine weitere
Verschärfung des Ukraine-Konflikts befeuert. Im Gespräch mit
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso soll Putin einem
Medienbericht zufolge gesagt haben, wenn er wolle, könne Russland die
ukrainische Hauptstadt Kiew in zwei Wochen einnehmen. Das hatte
Barroso der italienischen Zeitung «La Repubblica» zufolge beim
EU-Gipfel am Wochenende gesagt. In welchem Kontext die Äußerung
gefallen sei, wurde jedoch nicht bekannt. Der Kreml zeigte sich
irritiert über den Bericht. Putin-Berater Juri Uschakow sagte, das
Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen. Russlands EU-Botschafter
Wladimir Tschischow kündigte an, der Kreml sei bereit, einen
Mitschnitt des Gesprächs zwischen Putin und Barroso zu
veröffentlichen.

Im Streit um weitere russische Hilfsgüter für die Ostukraine
bestätigte das Außenministerium in Kiew Verhandlungen mit Moskau.
Anders als bei einer ersten Lieferung wolle die Ukraine aber einen
Transport per Bahn, sagte ein Sprecher in Kiew. Das Internationale
Rote Kreuz sei bereit, die Hilfe zu koordinieren. Russland
favorisiert aber erneut einen Transport per Lastwagen. In einer
eigenmächtigen Aktion hatte Moskau vor kurzem rund 2000 Tonnen
Hilfsgüter nach Lugansk gebracht und damit Proteste ausgelöst.

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